München – Um sich zu verdeutlichen, worum es heute Abend in der MEWA Arena geht, reicht ein kurzer – Pardon: weiter – Blick zurück. Tatsächlich stand der FC Bayern zuletzt vor rund drei Jahren in einem Pokal-Achtelfinale. Das 4:3 gegen Hoffenheim gelang damals unter Hansi Flick erst im Elfmeterschießen, aber: Es gelang. Nicht mehr und nicht weniger ist nach dem frühen Aus 2021 und 2022 verlangt. Ein weiterer schneller K.o. – und es wird endgültig ungemütlich an der Säbener Straße.
„Was passiert denn, wenn wir nicht gewinnen?“, entgegnete Julian Nagelsmann gestern auf eine entsprechende Nachfrage. Das böse K-Wort will trotz drei Remis zum Einstand ins Fußballjahr 2023 noch niemand in den Mund nehmen, und überhaupt ist Nagelsmann sowieso „Optimist. Ich gehe vom Guten aus.“ Daher ist der 35-Jährige „guter Dinge, dass wir das alles wieder hinkriegen.“
Noch ist nicht viel passiert. Das erste K.o.-Spiel der Saison hätte aber durchaus das Potenzial, die Debatte um formschwache Bayern eskalieren zu lassen. Das weiß auch Nagelsmann, der nach „nur“ einem Titel in seinem Premierenjahr heuer mehr will. „In den letzten zwei Jahren habe ich keine guten Erfahrungen im Pokal gemacht“, sagte er mit Blick auf die Final-Niederlage mit Leipzig und das 0:5 im Vorjahr mit Bayern gegen Mönchengladbach. Dass zudem „das Double bei Bayern München das Minimalziel“ sei, ist ihm auch nicht entgangen. Bewusst stellte der Coach daher noch mal klar: „Ich will gerne ins Finale und ich will den DFB-Pokal gewinnen.“
Auf dem Weg dorthin soll Mainz nur eine Durchgangsstation sein – Nagelsmann war in den vergangenen Tagen aber mehr gefordert, als ihm vor der englischen Horror-Woche lieb war. Zum Teamevent am Sonntag erschien er verspätet, weil das Videomaterial zur unmittelbaren Spielvorbereitung umfassend war. Nicht nur seine zuletzt unkreativen Spieler sind gefordert, auch er selbst kündigte „Anpassungen“ an: „Ich hoffe, dass sie fruchten.“ Mehr „Punch“ und mehr „Fokus in Richtung Tor“ seien wichtig, um „den Bock umzustoßen, auch was die Psyche angeht – und eben in einen Lauf zu kommen.“
Zwei Wochen nach Mainz – gegen das Bayern übrigens zuletzt zwei Auswärtsspiele verlor – wartet Paris, ein ganz anderes Kaliber. Bis dahin muss gelingen, was Nagelsmann bisher nicht geschafft hat: ein Team zu formen, das mit dem Selbstverständnis der Vor-WM-Wochen spielt. Er gab zu, dass die Wehen des Winter-Turniers zu spüren sind: „Wir haben viele Nationalspieler, für die es nicht leicht ist, den Kopf gleich wieder hochzufahren.“ Mit Blick auf die Aufstellung ist daher Fingerspitzengefühl gefragt. Dieselbe Elf, die gegen Frankfurt nicht über ein 1:1 hinauskam, wird nicht auflaufen. Nagelsmann sagte: „Ich muss einen Mittelweg finden zwischen Stabilität und dem Reiz des Neuen.“
Die Personaldecke ist dick, „es ist nicht leicht“, sagte der Coach. Leon Goretzka drängt nach muskulären Problemen zurück ins Team, Wehwehchen halten Joshua Kimmich, Yann Sommer und Dayot Upamecano nicht ab. Lediglich Ersatzkeeper Sven Ulreich (Rippenprellung) ist fraglich. Der Rest ist bereit, zumindest auf dem Papier. Wer die „100-prozentige Gier“ hat, wird sich zeigen. hlr