Causa Neuer und ihre Folgen

Absichtliches Eigentor

von Redaktion

HANNA RAIF

Gerade ein Monat ist vergangen, seitdem Manuel Neuer sich das erste Mal in diesem Jahr zu Wort meldete. Und das Foto, das der Kapitän des FC Bayern auf Instagram postete, war bewusst gewählt. Es zeigte ihn selbst an Krücken, bekleidet im Dress des FC Bayern, aufgenommen im Spielergang an der Säbener Straße. Die Botschaft war klar: Hallo, ich bin noch da! Ich schufte in meiner Reha! Und ich bin noch Spieler des FC Bayern!

Damals ging es dem 36-Jährigen um die eigene Sichtbarkeit. Worte wie „Karriereende“ und „Gehaltsverzicht“ ließen ihn wütend zurück, er wollte ein Zeichen setzen. Heute weiß man: ein vergleichbar kleines. Denn die „Causa Neuer“ hat sich seit dem Ski-Unfall im Dezember zu einer Lawine entwickelt, die den FC Bayern in seinen Grundwerten erschüttert. Die ultimative Wucht entfaltete sie erst nach dem Rauswurf von Torwarttrainer Toni Tapalovic: Rundumschlag von Neuer, heftige Reaktionen am Wochenende. Von den Bayern-Bossen genauso wie von Fans, Experten und solchen, die es sein wollen.

Die Fakten, eine rationale Denkweise und die unter dem Stichwort „Mia san mia“ geltenden Regeln sprechen klar gegen den Mann, der sich bzw. sein Lager ungerecht behandelt fühlt. Ein selbst verursachter Ski-Unfall in der Freizeit, ein Interview ohne Einwilligung, veröffentlicht in unruhigen Wochen, garniert mit heftigen Vorwürfen: Weniger vorbildhaft kann man sich kaum verhalten. Und dennoch gibt es vereinzelt Stimmen, die für neutrale Beobachter als Denkanstoß dienen: Mündige Profis sind in diesem aalglatten System so gut wie ausgestorben; durchautorisierte Interviews die von allen Protagonisten akzeptierte Norm. Da ist der Gedankengang, den Neuer hatte, zumindest nachvollziehbar. Auf „legalem“ Wege hätten die Worte, die ihm augenscheinlich ein Anliegen waren, die Öffentlichkeit nie erreicht.

Ob aus Loyalität für einen engen Freund oder persönlicher Eitelkeit: Neuer wollte dieses Zeichen setzen – und war sich über Reaktionen wie Konsequenzen vollends im Klaren. Das viel zitierte Wort „Eigentor“ taugt daher gar nicht zur Bewertung des Falls. Da hat einer zu einem ganz bewussten Abschlag angesetzt. Und es ist auch in Ordnung für ihn, sollte es sein letzter für den FC Bayern gewesen sein. Bayern-Werte wie „sei inspirierend“ und „sei ein Fan“ – auf dem Foto Anfang Januar links und rechts von ihm im Spielergang gedruckt– wird der langjährige Kapitän wohl nicht mehr mit Leben füllen. Ob er darüber traurig ist, steht auf einem anderen Blatt Papier.

Hanna.Raif@ovb.net

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