Glendale/Köln – Im Glitzerregen eines historischen Super-Bowl-Spektakels rammte Patrick Mahomes die Silbertrophäe in den zerwühlten Rasen von Glendale. Der talentierteste Quarterback der Welt, ja, wahrscheinlich sogar der Football-Geschichte nahm lieber seine zuckersüße Tochter auf den magischen rechten Arm – die bald zwei Jahre junge Dame mit dem passenden Namen Sterling nuckelte an ihrem grünen Schnuller. Wer bitte denkt da noch an Schmerzen?
Patrick Mahomes offensichtlich nicht. Die Knöchelverletzung, mit der er sich durch das atemlose 38:35 der Kansas City Chiefs gegen die Philadelphia Eagles quälte, war in diesem Moment vergessen. Die Amerikaner nennen solche Duelle „instant classic“ – Spiele, die sofort ihre Legende haben: wie einst das „Flu Game“ der grippegeschwächten Basketball-Ikone Michael Jordan während der NBA Finals 1997, als er die Chicago Bulls trotz sichtbarer Grippe zum Sieg über Utah Jazz führte.
„DAS werden wir heftig feiern, Baby“, rief Mahomes nach seiner Drei-Touchdown-Gala, er stach einen Finger in die Luft, „wir hören nicht auf. Wir wollen noch ein paar Ringe gewinnen!“ Erst dann könne von einer „Dynastie“ die Rede sein, wie sie der jüngst zurückgetretene Tom Brady mit den New England Patriots begründet hatte (sechs Titel).
Nun aber erst mal: „Ab nach Disneyland!“ Seinen ersten Super Bowl 2020 hatte Mahomes in Disney World gefeiert. „Hoffentlich bauen sie noch ein paar Parks“, sagte der 27-Jährige nun lachend, „dann gehe ich auf Welttournee.“ Die Frage, was dieser begnadete Ballverteiler noch erreichen kann, stellt sich ohnehin jeder Football-Fan.
Bei der 57. Auflage der gigantischen Sport- und Musik-Party riss der Spielmacher sein Team aus einem Zehn-Punkte-Rückstand. Im ersten Super-Bowl-Duell schwarzer Quarterbacks mit dem gleichfalls herausragenden Jalen Hurts drehte er das Spiel. „Man stelle sich nur vor, er hätte zwei gesunde Knöchel gehabt“, schrieb der englische Guardian.
Die Entscheidung fiel Sekunden vor Schluss durch ein Field Goal. Chiefs-Headcoach Andy Reid schwärmte danach in seinen Walrossbart, er könnte seinen „MVP“ küssen: „Aber das tue ich nicht.“ Mahomes küsste stattdessen auch lieber seine Frau Brittany.
Er war im grauen Designer-Anzug ins State Farm Stadium geschlendert, ohne Socken – seinen Knöchel wollte er nicht verstecken. Es sollte sein Abend werden: Mahomes nahm es mit Hurts auf, dem weniger erfahrenen, aber klar laufstärkeren Aufsteiger. Hurts gelangen in einem formidablen Schlagabtausch sogar vier Touchdowns, drei davon trug er selbst in die Endzone.
Es war die Nacht der großen Momente. Ein Wahnsinnswurf aus der eigenen Spielhälfte von Hurts brachte die Eagles in der ersten Halbzeit erneut in Führung in Führung, einer Fumble-Panne ließ er noch vor der sensationellen Pausenshow des R&B-Superstars Rihanna seinen dritten Touchdown folgen. Eagles-Headcoach Nick Sirianni jubelte – während der Nationalhymne waren dem Trainer noch dicke Tränen übers bärtige Gesicht gelaufen.
Die Chiefs-Fans, deutlich in der Unterzahl, schöpften mit dem Touchdown-Run von Rookie Isiah Pacheco neue Hoffnung. Das exzellente Playcalling von Reid half Mahomes, Hurts aber glich einen Acht-Punkte-Rückstand mit einem weiteren Touchdown aus. Es kam zum Showdown, den dieses Spiel verdiente.
Welch weltweites Spektakel sich stets beim Super Bowl abspielt, war wieder in der Halbzeit zu sehen. Während sich die vielen Fans in Deutschland zum letzten Mal bei einer Pro7-Übertragung die Nacht um die Ohren schlugen (die Rechte wechseln zur kommenden Saison zu RTL), feierten Dutzende Millionen Zuschauer in den USA das Comeback von Rihanna. sid