Wellingers Sieg-Comeback Sorgenkind wird Hoffnungsträger

von Redaktion

PATRICK REICHELT

Man musste Andreas Wellinger in seinem großen Moment nicht hören. Ein kurzer Blick in sein Gesicht reichte schon, um zu erahnen, was dieser Sieg in Lake Placid in ihm auslöste. Klar, seit 2019 hatte der Mann, der einst so sehr für die Rolle als unbeschwerter Schanzenliebling prädestiniert zu sein schien, vor allem die hässliche Seite einer sportlichen Karriere kennenlernen müssen. Hatte sich das Geschehen lange mehr aus dem Rehazentrum seines Sponsors als auf den Schanzen anschauen müssen. Doch er hat sich durch alle Tiefen gekämpft. Durch Kreuzbandriss, Schlüsselbeinbruch oder auch die Corona-Infektion, die ihm Vorjahr die Olympia-Teilnahme in Peking vermasselte.

Und es sagt viel über ihn und seine besonderen Begabungen aus, dass er nun wieder ganz oben anklopfen kann. Zu zahlreich sind die anderen Beispiele. Die der hoffnungsfrohen Überflieger, die von schweren Verletzungen vom Himmel geholt wurden und nie mehr zurückkehrten. Weil sich Skispringen stetig weiter entwickelt und es schwer ist, den Anschluss wiederherzustellen. Aber auch weil Blessuren die so fragilen Springersysteme empfindlich stören oder sogar zerstören können. Gestört haben sie auch das System von Andreas Wellinger. Aber eben nicht zerstört, wie der 27-Jährige am Wochenende bewiesen hat. Mag sein, dass ihm tatsächlich der Wechsel der Skimarke im vergangenen Sommer dabei geholfen hat. Aber es hat sich seit geraumer Zeit angedeutet, dass der Ruhpoldinger wieder im Vorderfeld anklopfen kann. Nun hat er es in Lake Placid sogar nach ganz oben gebracht. So ein Aha-Erlebnis kann im Skispringen viel bewegen – es wäre keine Überraschung, wenn Wellinger dort oben bleibt,

Klar ist aber: Der Sieg hätte auch für Bundestrainer Stefan Horngacher zu kaum einem besseren Zeitpunkt kommen können. Der Österreicher hatte mit seinen Schützlingen bis dato eine Saison zum Vergessen erlebt – vor allem bei der desaströsen Vierschanzentournee war er auch selbst in die Kritik geraten. Das könnte sich nun schnell ändern, Eine gute Weltmeisterschaft in Planica würde die Enttäuschungen der vergangenen Monate ganz schnell vergessen machen.

Gut möglich. dass ausgerechnet Sorgenkind Andreas Wellinger die Grundlage dafür legt. Man kann erahnen, was das in ihm auslösen würde.

patrick.reichelt@ovb.net

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