Die Bilder wirken wie aus einer anderen Zeit. Dabei ist es erst knapp zehn Jahre her, dass sich im Wembley-Stadion 86 298 Karteninhaber und daheim knapp 50 Millionen Fußballfans über ein nie da gewesenes Spektakel freuen durften. Das deutsch-deutsche Finale der Champions League machte 2013 eine ganze Nation stolz, genau wie der WM-Titel im Jahr danach. Wir waren wieder wer! Zumindest bis zur Ernüchterung, die folgte. Mit Ausnahme von wenigen Lichtblicken wie Frankfurts Triumph in der Europa League oder Leipzigs Halbfinal-Einzug im Jahr 2020. Und dem FC Bayern, versteht sich.
Ja, die deutschen Fans haben zuletzt viel Leidensfähigkeit beweisen müssen. Und dass das Interesse am sogenannten Volkssport Nummer eins sukzessive geschwunden und die Lagerfeuer-Romantik verblasst ist, kann man gut verstehen. Eine Branche, die am Scheideweg zwischen Tradition und Moderne, Werten und Kommerz, Sport und Spektakel steht. Eine Nationalmannschaft, die seit Jahren auf Selbstfindung ist. Eine Liga, in der der Dominator enteilt ist. Internationale Konkurrenz, die finanziell in anderen Sphären denkt. Und dazu ein TV-Markt, der nach zig Abos verlangt, um lückenlos mit Fußball versorgt zu sein. Man muss diesen Sport schon lieben, um – Achtung, Wortwitz! – am Ball zu bleiben. Dass es sich aber lohnt, haben die letzten Tage gezeigt.
Da wäre zum einen das starke 1:0, mit dem der FC Bayern vom Achtelfinal-Hinspiel der Champions League aus Paris zurückgekehrt ist. Ein nicht in allen Phasen spektakuläres, aber doch unterhaltsames, fußballerisch starkes Spiel, das Lust aufs Rückspiel macht. Und da wäre das gleiche Ergebnis, mit dem der BVB den FC Chelsea am Tag danach nach Hause geschickt hat. Die beiden führenden deutschen Clubs haben so immerhin für den Moment bewiesen, dass auch vergleichbar wenig Geld Tore schießen kann. Und nicht nur Scheich-Truppen wie PSG oder das mit 600 Millionen Euro aufgemotzte Chelsea.
Dazu kommt der Solo-Lauf von Karim Adeyemi, der sinnbildlich für so vieles steht. Denn diese 60 Meter ins Glück haben nicht nur die Fans verzückt und für eine gute Ausgangslage der zuletzt traditionell früh gescheiterten Dortmunder gesorgt. Sie haben vor allem das Potenzial aufgezeigt, das in Fußball-Deutschland schlummert. Es gibt sie, die jungen Kerle, die was draufhaben. Und es macht so viel Spaß, ihnen zuzuschauen. Bitte mehr davon! Es muss ja nicht gleich ein Endspiel sein.
Hanna.Raif@ovb.net