Den Fehler seines Vorgängers wollte Hansi Flick nicht wiederholen. Jogi Löw hatte nach der missglückten Russland-WM Mats Hummels, Jerome Boateng und Thomas Müller aus der Nationalmannschaft geworfen. Mit einem Arschtritt durch die Hintertüre – zumindest hat sich die Nacht-und-Nebel-Aktion für viele so angefühlt. Flick geht sensibler vor. Müller ist im März und im Juli nicht dabei. Auch Ilkay Gündogan bleibt wohl (vorerst) außen vor. Und Manuel Neuer? Muss sich erst beweisen.
Der Bundestrainer macht aber auch deutlich: die Tür ist nicht zu; noch nicht einmal angelehnt, eher noch halb geöffnet. Für die Heim-EM 2024 ist also noch keine Entscheidung getroffen. Man kann nun diskutieren, was das bedeutet. Vor allem im Fall von Thomas Müller, der beim FC Bayern auf einer Erfolgswelle reitet und wichtiger denn je erscheint. Ein wenig Ruhe tut dem Körper eines 33-Jährigen sicher gut, auf der anderen Seite will Flick seinen „Stamm“ finden. Ob Müller dazugehört, entscheiden wohl auch die Leistungen von Goretzka, Gnabry, Havertz, Wirtz, Werner, Sané & Co. Auf dem Papier klingen die Namen überragend, auf dem Rasen hat die Nach-Schweinsteiger-Generation bisher zu selten überzeugt. Die Wahrheit ist aber auch: es gibt keine Besseren. Einen harten personellen Umbruch kann und darf es deshalb nicht geben. Vielmehr geht es darum, den Haufen Talentierter zusammenzuschweißen und auf den eher schwächer besetzten Positionen (Außenverteidiger, Stoßstürmer) zuverlässige Spieler zu finden, die das Herz am rechten Fleck tragen – auch mit Blick auf die Fans, die man zurückgewinnen möchte.
Damit das gelingt, müssen zukünftig auch die Rahmenbedingungen passen. Hier dürfen sich alle angesprochen fühlen. Die PK-Posse (Flick), die Binden-Diskussion (Bierhoff und Neuendorf) oder die Quartier-Wahl (Bierhoff), das alles hatte in Katar der Verband selbst zu verantworten. Es verwundert etwas, dass Flick nach wie vor beklagt, dass die öffentliche Meinung vor und zur WM so schlecht war. Zum Glück war sie es, denn dieser von der FIFA und Katar geplante Wüsten-Wahnsinn verdiente es, hart kritisiert zu werden. Der DFB ist auf diesen Zug (zu) spät aufgesprungen. Und so richtig verstanden scheinen sie es immer noch nicht zu haben. Denn Präsident Bernd Neuendorf verwehrte sich kürzlich einem definitiven deutschen „Nein“ bei der Wiederwahl von FIFA-Boss Gianni Infantino.
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