München – Beim Weltcupfinale ab Mittwoch in Soldeu in Andorra werden die Disziplin- und Gesamtweltcupsieger des Skiwinters gekürt. Unsere Zeitung hat vorher mit Alpinboss Wolfgang Maier gesprochen – über die bisherige Saison, den Nachwuchs und den umstrittenen FIS-Präsidenten Johan Eliasch.
Herr Maier, wie geht es ihnen zum Ende des Winters? Wie einem Athleten, erschöpft und mit Vorfreude auf die Pause nach dem letzten Weltcup? Oder gibt es das in Ihrer Position nicht?
Also ich freue mich nicht, dass die Saison vorbei ist (lacht). Ich mag die Wettkampftage eben gern. Aber klar: So eine Saison zieht sich. Am 20. Oktober haben wir angefangen, am 20. März hören wir auf. Das ist schon eine lange, intensive Zeit, die von Trainern und Sportlern körperlich und mental viel abverlangt.
Befinden Sie sich noch komplett im aktuellen Winter? Oder schon voll in der Planung für das nächste Jahr?
Es geht langsam dazu über, hängt aber auch davon ab, welche Position man einnimmt. Bei mir geht es zum Beispiel darum, wie sich Budgets ausrichten in der Zukunft. Die Cheftrainer, die für die sportliche Umsetzung verantwortlich sind, beschäftigen sich natürlich noch mit der aktuellen Saison. Aber auch bei ihnen kommen die Meetings, gerade eben erst hatten wir ein sechsstündiges, bei dem wir besprochen haben, welche Weichen wir für die kommende Saison stellen.
In die Analyse dieser Saison – spielt da das Weltcupfinale überhaupt noch mit rein?
Natürlich nimmt es noch mal ein bisschen Einfluss aber im Endeffekt – da ja auch nur die besten 25 pro Disziplin an den Start gehen dürfen – steht das Fazit zu 90 Prozent.
Und wie fällt das aus? Ist es oberflächlich, der Saison den Titel „typisch deutsche Saison“ zu verpassen? Mit ein paar Highlights, ein paar Baustellen und nun leider auch wieder bitteren Verletzungen…
Ja, unsere Saisons weisen schon Ähnlichkeiten auf. Immer wieder schaffen wir die eine oder andere Überraschung, setzen immer wieder Akzente. Aber in der gesamten Breite ist das für unseren Anspruch zu wenig. Wir erreichen immer etwa dieselbe Anzahl an Top-Zehn-Ergebnisse und an Podien über die letzten vier, fünf Jahre. Ein erfolgreicheres Abschneiden scheitert oft an verletzungsbedingten Ausfällen. Thomas Dreßens Verletzungen oder jetzt der Kreuzbandriss von Alexander Schmid werfen uns zurück und lassen nicht das Fazit zu: Hey, das war eine richtig gute Saison. Klar stehen am Ende zwei WM-Medaillen, inklusive einem Titel, und auf der anderen Seite zehn Weltcuppodien und weitere Top-Ten-Plätze. Gut, aber auch kein richtiges Hammerergebnis.
Was ärgert Sie da mehr in der Rückbetrachtung? Wenn ein gestandenes Weltcupteam wie die Speed-Herren hinter den Erwartungen bleibt oder es weiter nicht gelingt, bei den Frauen im Riesenslalom etwas aufzubauen?
Beides gleichzeitig. Warum wir es, seit die Vicky (Rebensburg) weg ist, nicht schaffen, Riesenslalomläuferinnen für die Weltspitze zu entwickeln, hat in einer kritischen Eigenanalyse sicher die gleiche Priorität wie die Frage, warum wir mit dem Abfahrtsteam gut begonnen haben und im Laufe der Saison immer schwächer wurden. Wir können uns nicht erlauben zu sagen: Der Frauenriesen-slalom interessiert uns nicht, weil wir in den anderen Disziplinen so stark sind, dass wir es kompensieren können. Das konnten wir vielleicht mal Anfang der 90er, als unsere Frauen in der Abfahrt so extrem überlegen waren, dass es gar nicht ins Gewicht fiel, dass wir die beste Slalomläuferin auf Platz 30 hatten. Im Augenblick ist das jedoch nicht so. Die Herausforderung für uns und alle, die daran arbeiten, ist, dass wir diese Themen nicht nur in Worthülsen packen, sondern auch in eine praktische Umsetzung bringen.
Und gibt es da neue Ansätze?
Die gibt es immer wieder. Wir hatten ja zu der Saison den Frauen-Cheftrainer gewechselt, und jetzt gilt es, die Ausrichtung und die sportliche Abstimmung zwischen den Trainingsgruppen zu verfeinern. Erfüllt man im Nachwuchs wirklich die Voraussetzungen, die im Weltcup sportlich gefordert werden? Da müssen wir ansetzen, um besser zu werden.
Geht es auch um das von Ihnen schon mal angesprochene und im Nachwuchs zu wenig geförderte „Killergen“?
Im Nachhinein war das der falsche Ausdruck. Es klingt ja doch recht martialisch. Mir ging es darum, klarzumachen, dass wir oft zu vorsichtig und nicht aggressiv genug fahren. Bei zehn Podien in einer Saison und mindestens 26 weiteren Plätzen zwischen vier und zehn haben wir es zu oft nicht geschafft, aus diesen Fahrten noch mehr Top-Drei zu holen.
Statt Killergen dann lieber Gnadenlosigkeit?
Ja, das passt auch. Andere Nationen sind uns da beispielsweise voraus. Die legen mehr Wert auf den Wettkampf in der Ausbildung und wir in erster Linie auf die Technik. Aber Technik ist nur Mittel zum Zweck und nicht die alleinige Lösung, um schnell Ski zu fahren. Dazu kommt noch die mentale Einstellung, ob die Athletinnen und Athleten bereit sind, das im Rennsport geforderte Risiko zu managen. Diese grundlegenden Ansätze zu ordnen und daraus ein Konzept für unsere Sportler zu erarbeiten, das ist unsere Aufgabe.
In der Entwicklung der Gnadenlosigkeit – ist Deutschland da wegen weniger Konkurrenz in der Jugend im Vergleich zu etwa Norwegen oder der Schweiz benachteiligt?
Das mag einer der Gründe sein, die ich aber nicht gerne anführe. Es gehört eben auch zu den Themen, für die wir die richtige Lösung finden müssen. Aber unser Ansatz bleibt: daraus trotzdem das Beste zu machen, ohne neidisch darauf zu sein, was andere Nationen für Möglichkeiten haben.
Härter als in jedem Konkurrenzkampf scheint die Stimmung zwischen der FIS und vielen nationalen Verbänden zu sein. Wie haben Sie das in diesem Winter erlebt?
Das Thema ist mehrschichtig. Bei den Weltcups ist die Stimmung nicht schlecht, und in erster Linie sind wir ja dazu da, Sport zu machen. Aber es gibt eben nicht nur diesen Blick auf den Sport. Meine Meinung ist, dass mit dem FIS-Präsidenten (Johan Eliasch) eine völlig falsche Person auf diesem Posten sitzt, die dem Sport mehr schadet als Vorteile bringt. Meiner Meinung nach kann es beispielsweise nicht sein, dass ein FIS-Präsident alleine bestimmt, wie ein Weltcup-Kalender aussieht. Ich bin 15 Jahre im FIS-Weltcup-Komitee gesessen. Das höchste Gut der FIS war es, für die Veranstalter eine sichere Planung aufzustellen. Jetzt geht es nicht nur nach sportlichen Voraussetzungen, wie ein Weltcupkalender aufgesetzt wird. Nicht darum, die Verbände mit ihren finanziellen Möglichkeiten zu berücksichtigen, sondern um eine Person, die die Dinge so haben will, wie sie glaubt, dass sie gut sind.
Ist es das Thema, was Sie auch am meisten beschäftigt? Oder doch Pläne von Hallen Weltcups, die Expansion in neue Märkte, oder etwa mögliche Interessenskonflikte bei Johan Eliasch als Mehrheitseigentümer von Head?
Das ist im Sport draußen weniger Thema. Fraglich sind doch Ideen wie Weltcups in Skihallen. Was willst du mit einem Weltcup in Dubai in der Halle? Ich kenne die Halle, da passen vielleicht 500 bis 800 Zuschauer rein, und dann wird gleichzeitig von einem Weltmarkt gesprochen. Von der Ökobilanz einer solchen Veranstaltung ganz zu schweigen. Wir sind eine Randsportart und nicht Fußball oder Basketball, die saisonunabhängig sind. Wir sind eine Wintersportdisziplin und damit auch abhängig vom Winter. Ich habe auch die Hoffnung, dass die Wirtschaftlichkeit das Thema regelt. Es kann sich kaum einer leisten, all diese skurrilen Ideen des Präsidenten mitzugehen. Wir zumindest nicht, und dann müssen wir irgendwann konsequent sein und sagen, wo wir nicht mehr dabei sein können.
Im besten Fall nicht allein, sondern zusammen mit anderen europäischen Verbänden, mit denen es ja auch eine Zusammenarbeit gibt seit ein paar Monaten.
Wir sind mit Schweiz und Österreich in dieser Kooperation und mit anderen Verbänden in Abstimmung.
Wie ließe sich das System ändern?
Wichtig wäre mir, dass die Menschen in den Gremien mit den entsprechenden Aufgaben im Sinne des Sports handeln und das eigene Interesse hintanstellen.
Interview: Thomas Jensen