Der Patron und der Trainer schätzen sich

von Redaktion

Thomas Tuchel hat Uli Hoeneß bereits 2015 überzeugt – Reschke brachte beide an einen Tisch

München – Diese Blumen überraschten. Bei seiner Vorstellung als neuer Trainer des FC Bayern bedankte sich Thomas Tuchel (49) bei Präsident Herbert Hainer (68), Vorstandsboss Oliver Kahn (53), Sportvorstand Hasan Salihamidzic (46) – und ganz explizit auch bei Ehrenpräsident sowie Aufsichtsratsmitglied Uli Hoeneß (71). Was nur wenige wissen: Der Bayern-Patron und Tuchel schätzen sich sehr. Überzeugt hat der Trainer Hoeneß, der damals als Präsident noch im Tagesgeschäft aktiv war, bereits 2015.

Der ehemalige Technische Direktor des Rekordmeisters, Michael Reschke (65/2014-2017), brachte die Fußballfachmänner vor Tuchels Dortmund-Zeit an einen Tisch.

Im Gespräch mit unserer Zeitung erinnert sich der langjährige Bundesliga-Manager zurück. „Pep Guardiola war damals Bayern-Trainer. Thomas Tuchel hatte sich nach seiner intensiven Zeit bei Mainz 05 eine Auszeit genommen und wohnte in München. Pep, Thomas und ich haben uns einige Male zum Essen getroffen“, verrät Reschke, der aktuelle Head of European Football der mächtigen Berater-Agentur CAA Stellar. „Uli Hoeneß wusste von Pep und mir, dass wir eine sehr hohe Meinung von Thomas hatten und war sehr daran interessiert ihn kennen zu lernen, um ein Gespür für diesen jungen Trainer und Menschen zu bekommen. Deshalb habe ich ein Treffen mit Uli, Thomas und mir organisiert.“

Reschke stellt klar: „Eine Trainer-Verpflichtung war seinerzeit kein Thema für den FC Bayern, allerdings schon eine mögliche Option für die Zukunft.“ Den Münchner Entscheidern war klar, dass Guardiola, dessen Vertrag 2016 endete, nicht ewig bleiben würde.

Tuchel und Jürgen Klopp (55) waren damals die besten deutschen Trainer und somit natürlich auf dem Radar des FC Bayern. Bei Klopp war dies offenkundig. Tuchel war noch in seinen Anfängen auf dem Bundesliga-Parkett, hatte aber mit Mainz schon für Aufsehen gesorgt und auch gegen die großen Bayern stets auf Sieg gespielt – was bei Hoeneß & Co. Eindruck hinterlassen hatte. „Unser Treffen im Käfers hat ungefähr zwei Stunden gedauert und das Gespräch ist total entspannt geflossen. Es war ja auch kein Verkaufsgespräch, denn ein Bayern-Engagement stand zu diesem Zeitpunkt halt nicht auf der Agenda“, erklärt Reschke. „Uli Hoeneß sucht gerne den Austausch mit spannenden, interessanten Menschen und hat ein besonderes Gespür für informative, gehaltvolle Gespräche. Und dieser junge Trainer hat ihn einfach gereizt. Man könnte sagen, dass die Hoeneß’sche Neugierde auf Tuchels Respekt und Kennenlern-Interesse stieß.“

Beide waren voneinander begeistert. „Am nächsten Tag kam Uli dann zu mir ins Büro und sagte: ‚Du hast Recht. Thomas Tuchel ist ein interessanter Typ, mit ganz klaren Aussagen und einer genauen Vorstellung von seinem Job als Profitrainer.’ Das Gespräch hat ihm echt Freude bereitet“, so Reschke. „Tuchel war verständlicherweise ebenfalls beeindruckt und hat sich gefreut, eine Legende wie Uli Hoeneß kennengelernt zu haben.“ Was damals noch ein Vorgespräch war, wurde 2018 konkreter. Ein Tuchel-Engagement scheiterte aber. Unter anderem, weil Hoeneß bis zum Schluss hoffte, Trainer-Legende Jupp Heynckes (77) zum Weitermachen überreden zu können. Zeitgleich hatte Tuchel ein Jahr nach seinem Dortmund-Aus ein konkretes Angebot von Paris Saint-Germain vorliegen. Am Ende sagte Tuchel den Franzosen zu („Ich konnte in der Situation nicht warten“) und Heynckes Hoeneß ab. Niko Kovac (51) wurde Bayern-Trainer.

Nun kam zusammen, was sich schon seit Jahren angebahnt hatte. „Tuchel hat eindrucksvoll bewiesen, dass er selbst Teams mit schwierigen Charakteren, unterschiedlichen Sprachen und Mentalitäten erfolgreich führen kann“, sagt Reschke über den Coach, der Paris 2020 in Champions-League-Finale führte und die Königsklasse 2021 mit Chelsea gewinnen konnte. Er ist sich sicher: „Das Bayern-Team hat diese Probleme ja nicht ansatzweise wie PSG. Ich habe keine Zweifel, dass Tuchel und der FC Bayern zusammen auf Top-Niveau funktionieren.“

PHILIPP KESSLER

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