München – Wie sehr die Münchner von der Widerspenstigkeit der Grizzlys Wolfsburg genervt sind, zeigt sich an der Gelöstheit des Jubels, wenn ihnen etwas geglückt ist. Wie am Samstag, als sie Spiel fünf der Halbfinalserie in der Verlängerung 3:2 gewannen und in der Serie 3:2 in Führung gingen. Da konnte auch Trainer Don Jackson nicht an sich halten und umarmte jeden Spieler. Wobei der Kontakt mit dem Siegtorschützen Patrick Hager eine blutige Spur auf Jacksons rechter Wange hinterließ. „Ich bin nicht der Größte, mein Helm war auf seiner Jochbeinhöhe. Sorry“, sagte Hager. Er lachte, Jackson wischte sich den Cut sauber, alle beim EHC wirkten aufgeräumt, weil sie in diesem Moment zu spüren glaubten: Jetzt haben wir sie, die Wolfsburger.
Und dann kam Spiel sechs am Ostermontag – und all die Probleme, die der klare Hauptrundensieger München mit dem Fünftplatzierten Wolfsburg hat, waren wieder gegenwärtig. Yasin Ehliz, kürzlich als DEL-Spieler des Jahres ausgezeichnet, erklärte: „Wir haben mehr Schüsse, mehr vom Spiel, doch Wolfsburg ist effizienter.“ Und so verlor der EHC bei den Niedersachsen mit 2:3, in der Serie steht es dadurch 3:3 – und es gibt am Mittwoch (19.30 Uhr, Magentasport) am Oberwiesenfeld ein siebtes und letztes Spiel.
Wolfsburg hat die frischere Best-of-Seven-Erfahrung: Das Viertelfinale gegen Straubing gewannen die Grizzlys mit 4:3 Spielen. Die Situation ist vergleichbar mit der im Halbfinale gegen München: Wolfsburg lag 2:3 hinten, glich zuhause aus und fuhr berauscht nach (Nieder-)Bayern. Grizzly-Rekordspieler Sebastian Furchner, seit dieser Saison im Management tätig, sagt: „Die Jungs haben das schon erlebt.“ Stürmer Tyler Morley lässt seine Lust an der Lage erkennen: „So etwas regt uns an. Für uns spricht die Geduld und dass jeder seinen Job macht. Wir können München frustrieren.“
Die letzte Siebener-Serie des EHC liegt vier Jahre zurück. 2019 gab es das legendär ausufernde Halbfinale gegen Augsburg. Patrick Hager erinnert sich an diverse Verlängerungsdrittel: „Gefühlt waren das neun Spiele.“ Trainer des Gegners damals: Mike Stewart – nun an der Bande in Wolfsburg. Der EHC gewann das letzte Spiel, auch die andere Siebener-Serie seiner DEL-Geschichte verlief erfolgreich – 2018 im Finale gegen Berlin. Die bis dato letzte Münchner Meisterschaft.
Vorige Saison bekam es der EHC im Halbfinale – wegen Corona im Best-of-Five-Format ausgetragen – auch schon mit Wolfsburg zu tun. In der Hauptrunde war der EHC nur einen Hauch besser gewesen, doch im Playoff-Treffen spazierte er mit 3:0 durch. Die Grizzlys hatten viele Verletzte und eine Krankheitswelle, nun fehlen nur zwei Stammverteidiger, Armin Wurm und der ExMünchner Ryan Button. Dass sie in der „regular season“ 29 Punkte weniger einsammelten als der Dominator München, wird derzeit nicht sichtbar. Patrick Hager fordert dazu auf, „dem Gegner Respekt zu zollen“ und relativiert das Tabellenbild: „Wir haben in der Hauptrunde Spiele oft nur mit einem Tor Unterschied gewonnen und die Gegner nicht regelmäßig aus der Halle geschossen.“ Der Kapitän sieht seine Mannschaft in diesem Halbfinale im Grunde „ordentlich“, Mitspieler Andi Eder hingegen vermisst die Stabilität über 60 Minuten: „Wir haben noch nicht zu hundert Prozent zu unserem Spiel gefunden; im Moment spielen wir wahnsinnig schlecht.“
Match sieben also – und die Antwort auf die Frage, wer ins Finale gegen Ingolstadt kommt. Wolfsburgs Plus ist die unerschütterlich wirkende Struktur, München hat mehr zu bieten an Talent. Was sichtbar wurde, als Hager im fünften Spiel einen Fehlpass abfing und „mit meinem Standard-Move“ Torhüter Strahlmeier austrickste. Sodass alle glaubten, die Serie wäre entschieden. Und sich irrten.