München – Sie haben es tatsächlich getan: Sie sind hinausgetreten auf den Rathausbalkon, an einem Werktag um 11.22 Uhr, ohne Vorankündigung. Mutig, die Eishockeymeisterspieler des EHC München. Denn natürlich stand um diese Zeit unten auf dem Marienplatz kaum jemand, noch nicht einmal die Touristen fürs 12-Uhr-Läuten waren da. Doch das Team weiß um seine Nebenrolle, die es im Münchner Sportkosmos einnimmt, die Spieler, alle in Trachten gewandet, nahmen die Situation mit Selbstironie. Kony Abeltshauser, der Verteidiger und Liebhaber des TSV 1860, stemmte die Trophäe besonders freudig, quasi in Vertretung seines Fußball-Herzensvereins. Nach diesen etwas skurrilen Vormittagsmomenten schlenderten die EHCler weiter zum Viktualienmarkt.
Der würdige Teil hatte drinnen im Rathaus stattgefunden. Kleiner Sitzungssaal, Kronleuchter, Holzschnitz- und Steinmetz-Kunst. Programmpunkt: Eintrag ins Goldene Buch der Stadt München. Oberbürgermeister Dieter Reiter machte ein paar Witze über sich („Beim Eishockey muss ich mich immer warmschauen, es dauert fünf Minuten, bis ich den Puck sehe, so schnell ist das Spiel“) und über den FC Bayern („So sehe ich wenigstens einen Meisterpokal diese Saison“) und dessen Trainerpersonalpolitik. „Der EHC hat seit neun Jahren denselben Trainer.“ Weil die Zeichen aber danach stehen, dass Don Jackson mit seinen 66 Jahren in den Ruhestand wechseln wird, versucht OB Reiter, dem Abschied entgegenzuwirken: „Don hat fünf Titel mit Berlin gewonnen, vier mit München. Solche ungleichen Verhältnisse mögen wir nicht.“ Er möge doch nächstes Jahr für Ausgleich sorgen.
Don Jackson stellt zumindest einmal klar, dass das Alter nicht der wesentliche Punkt bei seiner Entscheidung sein wird: „Die Leute sprechen darüber – aber ich spüre mein Alter nicht.“ Seine Zukunftsüberlegungen werden geleitet „von der Familie. Sie ist immer Nummer eins.“ Seit nunmehr 18 Jahren befindet er sich „im Hin und Her“ zwischen der Heimat Amerika und den Arbeitsplätzen in Europa (Düsseldorf, Berlin, Salzburg, München). „Wir hatten großartige Familienerfahrungen und große Herausforderungen.“ Don Jackson klingt schon recht bilanzierend, wenn er sagt: „Für jeden kommt einmal die Zeit.“
Steve Walker, der früher sein Spieler in Berlin und dann sein Assistent in München war, wird am Mittwoch in Schwenningen als neuer Cheftrainer vorgestellt. Ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Den alten wird er am Sonntag abschließen, wenn der EHC mit seinen Fans vor der Halle feiert. Bis dahin wird wohl auch Don Jacksons Entscheidung veröffentlicht werden. Für einige Spieler geht die Saison anschließend noch weiter, Bundestrainer Harold Kreis hat für die WM in Tampere „eine Wunschliste“ (EHC-Sportchef Christian Winkler) vorgelegt. Acht Münchner stehen darauf, neben Nationalmannschafts-Stammkräften (Niederberger, Hager, Ehliz, Kastner, Tiffels) und Justin Schütz, der schon ein paar Spiele hat, auch die Neulinge Maksymilian Szuber und Filip Varejcka. Am 9. Mai, kurz vor der WM, wird in München auch noch gegen die USA gespielt.
Der Großteil des Kaders schwenkt jedoch über in den Ferienmodus. Regeneration, so versichert Christian Winkler, bräuchten sie alle: „Die Saison sah leicht skizziert aus – doch wir sind durch einige Schneestürme gegangen.“