Baku – Der Rauch hatte sich eigentlich schon verzogen, da knöpfte Max Verstappen (25) sich noch kurz das gesamte Red-Bull-Team vor. „Sie hätten die Situation erkennen und anders reagieren müssen“, maulte der Formel-1-Weltmeister mit eingefrorener Miene. Nur Platz zwei im Großen Preis von Aserbaidschan am Sonntag in Baku hinter seinem ungeliebten Teamkollegen Sergio Perez (33) hatte dem nicht unbedingt als guter Verlierer bekannten Verstappen die Laune ziemlich verhagelt. „Der Kampf der Bullen wird richtig heiß“, titelte die „Gazzetta dello Sport“ voller Vorfreude.
In der elften Runde hatte Red Bull den bis dahin führenden Verstappen zum Reifenwechsel an die Box geholt und dabei nicht einkalkuliert, dass nach einem Unfall von Nyck de Vries im Alpha Tauri kurz vorher das Safety Car zum Einsatz kam. Man habe gedacht, so Teamchef Christian Horner, „dass Nyck weiterfährt“.
Was sich als fatale Fehleinschätzung erwies. Verstappen verlor beim Boxenstopp mehr Zeit als die Konkurrenz, die kurz nach ihm reinkam. Da die Abstände während einer Safety-Car-Phase eingehalten werden müssen, büßte unter anderem Perez deutlich weniger Zeit ein als Verstappen, der Mexikaner übernahm die Führung – und gab sie nicht mehr ab: „Max hat gepusht, aber ich hatte ihn unter Kontrolle.“
Dass Perez im eigenen Team der „falsche“ Sieger war, daran ließen sowohl Horner als auch Red Bulls graue Eminenz Helmut Marko keinen Zweifel. „Sergio hat mit dem Safety Car Glück gehabt, aber die Saison ist ja noch lang, Max. Sorry“, funkte Horner direkt nach der Zieldurchfahrt in Verstappens Cockpit. Marko stellte fest, dass „Max Pech hatte, noch eine Runde mehr, dann wäre er vorbei gewesen“.
An Perez prallte all das zumindest äußerlich ab, mit seinem Doppelsieg im Sprint (am Samstag) und im Grand Prix hat er seinen Ruf als Streetfighter, der sich auf Stadtkursen besonders wohlfühlt, eindrucksvoll bestätigt. „Ich kämpfe definitiv um den Titel“, sagte der Mexikaner, und er bekräftigte es gleich mehrmals: „Wer in diesem unglaublichen Auto sitzt und nicht Weltmeister werden möchte, hat eine falsche Einstellung.“
Verstappen, für den nur Siege und Titel zählen, vernahm die Botschaft und bemühte sich um eine zur Schau gestellte Gelassenheit. Sergio sei „ein tolles Rennen gefahren, aber ich hatte eben auch viel Pech“. Im Sprintrennen am Samstag ließ ihn das Reifenmanagement im Stich, am Sonntag dann gleich das ganze Team: „Man kann nicht jedes Mal perfekt sein, aber jedes Mal dazulernen. Das habe ich hier getan.“ Nur noch sechs Punkte trennen ihn an der Spitze der WM-Wertung von Perez.
Die Formel 1 darf sich jedenfalls über den teaminternen Brandherd bei Red Bull freuen, denn hinter Perez und Verstappen begann in Baku das Niemandsland. Der drittplatzierte Charles Leclerc holte zwar den ersten Podestplatz für Ferrari in diesem Jahr, war aber mit 21 Sekunden Rückstand für die Bullen kein echter Konkurrent. Und so werden auch am kommenden Wochenende in Miami die Red Bull den Takt und das Tempo vorgeben. Eine Stallorder ist, glaubt man der Teamleitung, vorerst nicht geplant. „Wir lassen sie fahren“, sagte Marko: „No risk, no fun.“ Fragt sich nur, wer zuletzt lacht. sid