Obenauf im Titelkrampf

von Redaktion

Ohne „Schönheitspreis“ vorbei an Dortmund: Bayern wieder Meisterfavorit

VON MANUEL BONKE

München – Obwohl Thomas Müller erneut nur die Rolle des Edeljokers blieb, gab er beim 2:0 (0:0) des FC Bayern gegen Hertha BSC mal wieder den Ton an – zumindest nach Abpfiff in den Katakomben der Allianz Arena. Breitbeinig und vor Mia san mia strotzend marschierte die Vereinsikone aus dem Spielertrakt und brüllte: „Da sind wir wieder! Wir holen uns das Ding. Könnt ihr schreiben!“ Hiermit geschehen.

Ja, die Münchner Welt ist nach dem Pflichtsieg gegen das Bundesliga-Schlusslicht und dem Patzer der Meister-Konkurrenz aus Dortmund beim 1:1 am Freitagabend in Bochum wieder in Ordnung. Da schauen Spieler und Trainer gerne darüber hinweg, dass weite Teile des Bayern-Spiels erneut einen Offenbarungseid in der Offensive darstellten und mehr an Titelkrampf als Titelkampf erinnerten. Es war vor allem dem Adlerauge von Joshua Kimmich zu verdanken, dass die bis dahin unauffälligen Serge Gnabry (69.) und Kingsley Coman (79.) sich doch noch in die Torschützenliste eintragen durften. Der Mittelfeldchef zeigte sich überrascht, dass die Mannschaft an diesem Tag die Fähigkeit hatte, „auch mal geduldig zu bleiben. Ich glaube, dass es in den vergangenen Wochen eher so gewesen wäre, dass wir den Kopf verlieren und anfangen, ein Risiko zu nehmen, wo es nicht angebracht ist.“ Es sei zwar kein Schützenfest gewesen, aber eine reifere Leistung als in den vergangenen Wochen.

Dem Team von Trainer Thomas Tuchel ist es mittlerweile egal, wie die drei Punkte eingefahren werden. Hauptsache, sie werden es. „Man hat der Mannschaft angemerkt, was auf dem Spiel steht. Es ist alles enorm eng. In so einer Phase geht es nicht darum, den Schönheitspreis zu gewinnen, sondern es geht darum, zu gewinnen und die Tabellenführung zu übernehmen“, beschrieb Vorstandschef Oliver Kahn die Situation. Die Wortwahl zeigt, dass die Münchner vom einstigen Topniveau aktuell meilenweit entfernt sind, das war auch Hertha-Trainer Pal Dardai nicht entgangen: „Wir wollten lange gut verteidigen, das ist uns gut gelungen. Bayern ist eine Top-Mannschaft, aber nach 60 bis 70 Minuten waren die platt. Eigentlich müssen wir hier mit einem Punkt nach Hause gehen.“ Das gelang den Herthanern nicht – und so ist der deutsche Rekordmeister nun in der Tabelle wieder obenauf und kann einen Zähler mehr (62) als die Dortmunder vorweisen. „Wir haben es in der eigenen Hand. Wir können alle zählen und rechnen: Wir müssen vier Spiele gewinnen“, erklärte Kimmich und kündigte an: „Ich bin fest davon überzeugt, dass wir Deutscher Meister werden!“

Präsident Herbert Hainer setzt indes auf die wiedererlangte Selbstständigkeit der Mannschaft: „Jetzt haben wir es selbst in der Hand –und das ist das Beste, was man sich wünschen kann, wenn man sich nicht auf andere verlassen muss.“ CEO Kahn prophezeite, dass der Kampf um die Meisterschaft, die keineswegs ein Trostpreis sei, super eng bleibe, „vielleicht bis zur letzten Minute des letztens Spieltags“. Doch erst einmal geht es für die Münchner am Samstag nach Bremen, während der BVB am Tag danach Wolfsburg empfängt.

Läuft alles optimal, stehen die Bayern mindestens über Nacht vier Punkte vor dem großen Rivalen aus dem Westen. Man kann sich ausmalen, mit welch breiter Brust Thomas Müller dann in den Katakomben des Bremer Weserstadions auftreten würde.

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