Mehr als acht Milliarden Euro bekommen ARD und ZDF jährlich vom Gebührenzahler. Davon wurden rund 214 Milionen für die umstrittene Herren-WM 2022 in Katar ausgegeben. Nun bieten die Öffentlich-Rechtlichen gerade einmal 5 Millionen Euro für die bevorstehende Frauen-WM in Australien und Neuseeland. Als „marktgerecht“ bezeichnet Axel Balkausky das Angebot. Und der ARD-Sportkoordinator mag auf den ersten Blick sogar Recht haben. Denn die Frauen-WM-Spiele müssen wegen der Zeitverschiebung hierzulande nachts oder morgens gezeigt werden. Da bleiben Einschaltquoten klein und Werbeeinnahmen gering. Wenn man aber bedenkt, dass das EURO-Finale der Frauen zwischen England und Deutschland die höchste Zuschauerzahl aller Sportsendungen im vergangenen Jahr generierte und diese Partie mit 17,95 Mio. ein größeres Publikum fand als jedes der drei blamablen Spiele der Herren-Elf in Katar, dann wirkt die 5-Mio.-Offerte komplett unverhältnismäßig und der Begriff „Marktgerechtigkeit“ degeneriert zur Makulatur.
Jahrzehntelang haben sich ARD und ZDF an der von Privatsendern und Pay-TV-Kanälen forcierten Kommerzialisierung des Herren-Profifußballs mitbeteiligt, mitgeboten und mitbezahlt. Dass nun ausgerechnet bei einer Frauen-WM die Parole „Marktgerechtigkeit“ zur obersten öffentlich-rechtlichen Verhandlungs-Prämisse deklamiert wird, muss irritieren. Denn die von der FIFA – fürwahr erpresserisch kurzfristig – eingeforderten 10 Millionen Euro würden auch nur 5 Prozent der Ausgaben für die letzte Herren-WM bedeuten. 5 Prozent! Eine Petitesse im Vergleich zu den irrwitzigen und kaum refinanzierbaren Fußball-Investments für Männer-Fußball. Von Geschlechtergerechtigkeit mal ganz zu schweigen.
Zudem gilt: ARD und ZDF erhalten Gebühren, damit sie ihren im Medienstaatsvertrag fixierten Grundversorgungsauftrag erfüllen. Selbst wenn dort der Begriff Fußball nicht auftaucht, sollte kaum jemand die gesellschaftliche Bedeutung der Berichterstattung über eine Fußball-WM bezweifeln, auch unabhängig vom Geschlecht der kickenden Protagonisten. Dass ausgerechnet ARD und ZDF, die diverse Frauen-Europa- und Weltmeisterschaften überaus professionell und kompetent übertragen haben, nun derart unverhältnismäßig agieren, verstehe, wer will. Führt der 5-Mio.-Zweifel dazu, dass die WM nicht im TV läuft, hätten die Öffentlich-Rechtlichen den Frauen-Fußball ins fernsehmediale Abseits gestellt und dabei ein veritables gesellschaftspolitisches Eigentor geschossen.
Michael Schaffrath ist Leiter des Arbeitsbereichs für Medien und Kommunikation der Sportfakultät der Technischen Universität München