Nicht weit weg von Europas Elite

von Redaktion

BASKETBALL Bayern und Berlin sehen sich auf gutem Weg – Entwarnung für Andi Obst

VON PATRICK REICHELT

München – Mitte der zweiten Halbzeit ließ Andrea Trinchieri einen sorgenvollen Blick über das Spielfeld schweifen. Seine Bayern-Basketballer waren in diesem zweiten Viertelfinale gegen die BG Göttingen völlig aus dem Tritt geraten. Hauptverantwortlich war wohl die verhängnisvolle Szene unter dem Korb. Kapitän Andreas Obst hatte sich ohne Fremdeinwirkung das Knie überdehnt und wurde in die Kabine gehievt. Von da „sind wir zusammengefallen wie ein platter Reifen“, sagte Trinchieri. Irgendwie rettete man ein 85:83 ins Ziel. Am Sonntag (15 Uhr) in Göttingen hat man nun Matchball. Aber das war erst einmal Nebensache. „Es ist frustrierend, wenn immer wieder so wichtige Spieler ausfallen“, erklärte Niklas Wimberg. Tags darauf kam immerhin Entwarnung. Obst hat sich keine schwere Verletzung – ob er sogar am Sonntag mitmachen kann, wird kurzfristig entschieden.

Es passte irgendwie, dass tags darauf ein Doppelinterview der FAZ mit Wimbergs Chef, Marko Pesic und dem Berliner Geschäftsführer Marco Baldi die Runde machte. Die vielen Verletzungen „sind Spätfolgen“, sagte Pesic dabei. „Der Körper nimmt sich Zeit. Das muss geregelt werden.“ Was er damit meint, liegt auf der Hand. Die Zahl der zu absolvierenden Spiele – die Bayern etwa stehen derzeit bei 74 – ist den Machern schon lange ein Dorn im Auge. „Der Leidensdruck ist mittlerweile so hoch, dass allen Parteien klar wird, dass sie eine Einigung brauchen“, sagte Baldi.

Wobei die Clubchefs die Ansatzpunkte vor allem im nationalen Betrieb sehen. Die BBL ist neben der spanischen ACB die letzte Topliga in Europa, die mit 18 Teams spielt. International stehen die Zeichen eher auf Erweiterung. „Eigentlich sollten wir so viel Euroleague spielen wie möglich, denn dieser Wettbewerb ist sportlich und wirtschaftlich am attraktivsten“, sagte Pesic – die Spiele in der nationalen Liga bezeichnet er dagegen als „moralisch eine Verpflichtung“.

Der Blick geht nach Europa, daran ändert auch das vergleichsweise schwache Abschneiden dieser Saison mit den Plätzen 15 und 16 für die beiden deutschen Euroleague-Vertreter nichts. Das Final-4 findet am Wochenende in Kaunas einmal mehr ohne deutsche Clubs statt. „Dafür reicht es noch nicht, aber wir werden da eines Tages hinkommen“, sagte Baldi, „wir sind nicht weit weg.“

Im europäischen Vergleich sind Berlin und die Bayern mit Standortnachteilen konfrontiert. Steuern und Sozialabgaben sind weit höher als bei der Konkurrenz, die etwa in Barcelona oder Madrid üblichen Jahresabschlüsse mit einem Minus von 20 Millionen sind in Deutschland undenkbar. Die beiden Manager sehen das eher als Herausforderung denn als Hindernis. „Du musst halt ein bisschen Glück haben, den richtigen Spieler zur richtigen Zeit finden“, betonte Pesic, „dann können wir nicht nur gegen diese Mannschaften spielen, dann können wir sogar besser sein als sie.“ Wobei er vor allem die Saison 2020/21 im Kopf gehabt haben dürfte, in der seine Bayern mit Wade Baldwin, Jalen Reynolds & Co. in der Euroleague mit 21 Siegen auf Platz fünf stürmten. In den Playoffs gegen Mailand schrammte man in Spiel fünf nur um drei Pünktchen am Finalturnier vorbei. Baldi sagte damals: „Die Bayern haben schon alles, um ins Final-4 zu kommen.“

Womit der letzte Schritt nicht mehr als eine Frage der Zeit wäre. Nächste Saison wäre es besonders reizvoll – dann steigt das Euroleague-Finale in Berlin.

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