„Wenn wir zusammen reiten, dann knistert die Luft“

von Redaktion

PFERD INTERNATIONAL Doppel-Olympiasiegerin Jessica von Bredow-Werndl greift mit ihrem „Team Aubi“ an

VON LAURA FORSTER

Riem – Raphael Netz steigt von Great Escape Camelot, streicht ihm mit der Hand über die fein gezeichnete Blesse und führt ihn in seine Gastbox auf der Pferd International in Riem. Das war das letzte Training für den 24-jährigen Triple-Europameister und seinen schönen zwölfjährigen KWPN-Wallach, bevor die beiden dieses Turnierwochenende in München zum ersten Mal in einem Fünf-Sterne-Grand-Prix starten. „Der Sprung in diese hohe Klasse ist etwas Mentales, ich probiere einfach im Hier und Jetzt bei meinem Pferd zu sein.“ Immer als Unterstützung mit dabei – entweder vor Ort, per Facetime-Video oder auch nur in den Gedanken: seine Trainer Doppel-Olympia-Siegerin Jessica von Bredow-Werndl und ihr Bruder Weltcupsieger Benjamin Werndl auf deren Anlage Gut Aubenhausen bei Rosenheim, wo Netz seit 2016 arbeitet und Pferde mit ihrer Hilfe auf ein Topniveau bringt. Dabei steht das Tier zu jeder Zeit im Mittelpunkt.

Zusammen mit ihren Mitarbeitern bilden die drei das „Team Aubi“, das es so im Dressursport nicht noch einmal gibt. Was es ausmacht, zeigt sich schon im Stalltrakt auf der Pferd International. Es wird gelacht, gescherzt und zwischendurch mal ein Ratschlag gegeben. Die Stimmung ist ausgelassen, die Energie bei Pferden und Reitern positiv. „Unser Motto: Eins plus eins ist nicht zwei, hier ziehen alle an einem Strang“, sagt Netz. „Das Team Aubi unterstützt sich immer“, ergänzt Benjamin Werndl. „Wir sind ein Verbund von Weltklassereitern, die sich gegenseitig inspirieren, denn man braucht immer ein Auge von unten.“ Wenn die drei zusammen auf dem Platz oder in der Halle in Aubenhausen reiten, trainieren sie sich gegenseitig. „Der häufigste Satz, der während einer Einheit fällt:, Schaust du mal kurz‘“, sagt Netz. „Wenn wir zusammen reiten, dann knistert die Luft.“

Die Pferd International ist für die Geschwister Werndl ein Stück Heimat. „Für mich ist es mit das schönste Turnier im Jahr“, sagt Benjamin Werndl. „Das ehemalige Olympiagelände hat einen ganz eigenen Flair.“ Das Turnier in Riem ist eines der ersten größeren Turniere in der grünen Saison.

„Nach den Prüfungen hier, weiß man immer ganz gut, wo man steht“, sagt die Olympia-Siegerin von Tokio. An ihren ersten Start auf der Pferd International kann sie sich noch gut erinnern. „Ponyführzügelklasse des Nürnberger Burgpokals 1993 mit Little Girl. Meine Mama hat mich damals geführt und wir haben gewonnen“, sagt sie und grinst. Fast zwei Jahrzehnte später, 2022, schlüpfte Benjamin Werndl in die Rolle seiner Mutter. „Letztes Jahr sind meine Töchter in der Führzügelklasse gestartet. Leider gab es einen Wetterumschwung wir sind total abgesoffen, eine Erinnerung die bleibt“, sagt er und lacht.

Der 38-Jährige startet dieses Jahr nicht selbst, ist aber als Unterstützung dabei. Sportlich will er heuer wieder mit seinem Top-Pferd Famoso, mit dem er 2022 erfolgreich bei der Weltmeisterschaft in Herning für das deutsche Team geritten ist, durchstarten.

Seine jüngere Schwester hat drei ihrer Nachwuchspferde nach Riem mitgebracht: Forsazza de Malleret, Got It BB und Tamino. „Die Pferde sollen noch mehr Erfahrungen sammeln und merken, dass Turnierreiten Spaß macht.“ Ihre Top-Stute TSF Dalera BB, mit der sie die Weltrangliste anführt, bringt von Bredow-Werndl zum Training nach Riem. „Ich habe mit Schrecken festgestellt, dass unser letztes Outdoor-Turnier 2021 war.“ Im August kam ihre Tochter Ella zur Welt. „Ich habe das Bedürfnis Dalera wieder in den Trubel zu schmeißen.“ Obwohl die beiden schon fast alles gewonnen haben, was es im Dressursport zu gewinnen gibt, bedeutet das für die 37-Jährige noch lange nicht das Ende. „Mein Ziel ist es, mich mit Dalera ständig weiterzuentwickeln.“

Für ihren Teamkollegen Raphael Netz ist diese Saison eine ganz besondere. „Es ist der Sprung von U25 zu den Senioren.“ Eine Zeit, die für von Bredow-Werndl damals ganz und gar nicht leicht war, wie sie in ihrem Buch „Das Glück der Erde“ beschreibt. „Ich gehe das Ganze entspannt an. Ich will einfach mal die Füße ins Wasser halten und schauen, was möglich ist“, sagt Netz. Mit Great Escape Camelot hat er dafür den besten Partner an seiner Seite. „Wir kennen uns erst seit fünf Monaten, aber haben schon viele Erfolge sammeln können.“

Das „Team Aubi“ ist nicht nur für seine sportlichen Erfolge bekannt, sondern auch für seine Pro-Pferd-Reitweise und artgerechte Einstellung, die die drei auch nach außen tragen und weitergeben. „Wir sehen uns in der Verantwortung, den Pferden eine Stimme zu geben“, sagte Bredow-Werndl. Da ist auch der Grund, weshalb sie mit Social Media begonnen hat. Auf Instagram folgen ihr mittlerweile rund 330 000 Menschen. „Ich wollte den Leuten zeigen, dass mein Grand-Prix-Pferd Unee auf die Koppel darf. Wir lieben unsere Tiere. Dass es ihnen gut geht, ist Voraussetzung für unseren Sport. Dafür tun wir und unser 30-köpfiges Team alles.“

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