München – Dem Schnee ist Emil Herzog treu geblieben. „Dieses Jahr bin ich noch kein einziges Mal Rolle gefahren. Ich fahre bei Wind und Wetter draußen, das macht mir viel mehr Spaß“. Herzog gehört zu den größten Radsport-Nachwuchstalenten weltweit und zu den wenigen, die auch im Winter weiter auf der Straße fahren.
Herzog wächst im Allgäu in Weiler-Simmerberg auf. Hinter dem Haus der Eltern gibt es einen kleinen Berg, dort baute er früher Schanzen und übte sich im Ski Alpin oder Skilanglauf. Mit zwölf Jahren, erzählt Herzog, habe er dann gemerkt, dass er eine bessere Ausdauer habe als die meisten in seinem Alter. „Ich bin einfach immer losgefahren. Die anderen haben meist gar nicht mehr probiert, an mir dranzubleiben“, erzählt Herzog mit einem Lachen: „Weil sie wussten, dass sie dann eh eingehen werden.“
In der U16 wird er Deutscher Meister im Skilanglauf. Doch irgendwann spürt auch Herzog, dass es immer weniger Schnee gibt. Und es immer komplizierter wird, regelmäßig zu trainieren und an Wettbewerben teilzunehmen. „Es ging nicht mehr von daheim, man musste weit wegfahren. Das wurde mir zu aufwendig.“
Herzog fokussiert sich aufs Radfahren und schreibt mit Team Auto Eder, dem Nachwuchsteam von Bora-hansgrohe, eine Erfolgsgeschichte. Der 18-Jährige gilt als Primus seines Jahrgangs, gewann letztes Jahr bei der Junioren-Weltmeisterschaft in Australien Gold im Straßenrennen und Bronze im Einzelzeitfahren.
„Emil ist uns schon in anderen Disziplinen aufgefallen“, sagt Dr. Christian Schrot, Head of Scouting und Leiter der Nachwuchsabteilung: „Wir schauen nicht nur auf den Radsport, sondern blicken gerne über den Tellerrand hinaus.“ Der promovierte Sportwissenschaftler trainierte Herzog zwei Jahre in der U19, arbeitete täglich mit dem Ausnahmetalent zusammen. „Emil kann sehr gut ein Team führen. Er ist der Leader in einer Mannschaft und wird von seinen Kollegen anerkannt. Emil ist sportlich herausragend, aber trotzdem weiter der normale Bursch von nebenan“, sagt Schrot: „Natürlich ist er ambitioniert und ehrgeizig, aber nicht so verbissen, er hat sich seine Lockerheit bewahrt.“
Das Team Auto Eder gilt im U19-Bereich als die Referenzadresse weltweit. Als „absoluten Glücksfall“ bezeichnet Herzog seine Förderung. Ralph Denk, Geschäftsführer bei Bora-hansgrohe, investiert bereits seit Jahren in den Nachwuchs. Anfangs sei man dafür von vielen World-Tour-Mannschaften belächelt und hinterfragt worden, sagt Schrot: „Mittlerweile dringen alle großen Teams in den Nachwuchsbereich. Wir holen nicht zwingend die besten Talente aus dem Jahrgang. Sondern die, bei denen wir das meiste Entwicklungspotenzial sehen.“
Natürlich trauen die Verantwortlichen bei Bora Herzog den Durchbruch in den Profibereich zu. Eile gibt es aber keine. Das Juwel fährt aktuell in der U23-Klasse für das amerikanische Nachwuchsteam Hagens Berman Axeon und soll dort die nächsten Schritte machen.
„Wenn alle einen loben und man in fünf Jahren dann nicht so performt, sagen vielleicht manche: Damals dachte man noch, der Herzog wird der nächste Jan Ullrich und jetzt ist nichts aus ihm geworden“, sagt der Allgäuer: „Daher weiß ich das Lob zu schätzen, mache mir aber auch nicht zu viel daraus.“ Lob gibt es für Herzogs Rennüberblick, für sein gutes Verständnis von Situationen im Fahrerfeld. Eine besondere Fähigkeit, die man nur schwer lernen kann, wie Schrot erklärt: „Emil hat auf höchster Ebene mehrfach bewiesen, dass er in den entscheidenden Etappen die entscheidenden Attacken setzen kann.“ Herzog selbst weiß um seinen offensiven Fahrstil. Es ist ein bisschen damals wie beim Skilanglauf. „Ich versuche in Situationen zu attackieren, in denen niemand damit rechnet“, sagt er: „Das kann voll aufgehen, aber auch mal in die Hose gehen. Ich will für den Überraschungseffekt sorgen.“
NICO-MARIUS SCHMITZ