Der verlängerte Arm des Bundestrainers

von Redaktion

NHL-Angreifer Nico Sturm ist bei seiner ersten WM für Arbeitsmoral zuständig

Tampere – Eigentlich wollte Harold Kreis über den nächsten Gegner auf dem Eis reden, als er plötzlich auf den Tanzboden geriet. Was er denn vom „weißen Ballett“ halte, wurde der Eishockey-Bundestrainer gefragt. Die grandios aufspielenden Schweizer, die schon als Gruppensieger und möglicher deutscher WM-Viertelfinalgegner feststehen, waren in der heimischen Presse so genannt worden – was sei denn dann sein Team? „In der Oper und im Ballett kenne ich mich nicht so gut aus“, antwortete der 64-Jährige lachend, „aber mit Sicherheit nicht der sterbende Schwan.“

Noch steht der künstlerisch anspruchsvolle Vergleich mit dem „Vorrunden-Weltmeister“, der turnierübergreifend 16 Gruppenspiele in Folge gewonnen hat und vom ganz großen Coup träumt, nicht fest. Denn die deutsche Nationalmannschaft muss erst den letzten Schritt in die K.o.-Runde gehen. Deshalb wollte Kreis sich lieber auf das letzte Vorrundenspiel am Dienstag (11.20 Uhr/Sport1 und MagentaSport) gegen Frankreich konzentrieren. Der vierte WM-Sieg in Folge in Tampere soll her, damit es danach zum Viertelfinale nach Riga geht. Jetzt schon an den Klassiker gegen die Schweiz zu denken, den das deutsche Team in den letzten Jahren in K.o.-Spielen immer gewann, ist deshalb unerwünscht – Konzentration auf das Naheliegende angesagt.

Dafür sorgt als verlängerter Arm des Bundestrainers auch WM-Neuling Nico Sturm. Der Stanley-Cup-Sieger von 2022 (mit Colorado) ist bei seinem ersten Turnier mit der Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes in die Rolle des Anführers geschlüpft, der die von Kreis geforderte Spielweise verinnerlicht hat. „Einfaches Eishockey, Nord-Süd“, sagte der 28-Jährige immer wieder, „wenn die hochprozentigen Plays nicht da sind, dann geht die Scheibe tief, und wir versuchen, sie uns wieder zu holen.“

Als Arbeiter geht der Mittelstürmer der San Jose Sharks auf dem Eis voran, außerhalb der Bande redet er Klartext. „Keine Faxen mit der Scheibe an der blauen Linie“, forderte er von der ersten Sturmreihe um NHL-Rookie John-Jason Peterka, die sich zwischenzeitlich in Einzelaktionen verzettelte. Als es darauf ankam, glänzte Sturm sogar als Torjäger – obwohl er sich über Scorerpunkte gar nicht definiert. Es klang fast ein wenig entschuldigend, als er nach dem 7:2 gegen Ungarn zu seinem zweiten Doppelpack in Folge und insgesamt fünf Turniertreffern meinte: „Die Tore waren jetzt nicht irgendwelche Zauberdinger, alles im Radius von ein, zwei Metern vom Tor. So verdiene ich mein Geld und nicht, weil ich anfange, irgendwelche Leute auszutanzen.“

Dass diese Art Eishockey im DEB-Team noch nicht jeder aufs Eis bringt, hat Sturm immer wieder angesprochen. Nach dem dritten Sieg in Folge mit dem Viertelfinale vor Augen wollte er sich aber nicht wieder „hier hinstellen und alles kritisieren“. So fand er auch für den 21-jährigen Peterka nur lobende Worte, der auf den Denkzettel von Kreis und seine Zwangspause auf der Bank prompt mit einem Tor und drei Vorlagen geantwortet hatte. „Wenn er die richtigen Entscheidungen mit der Scheibe trifft, ist er unser bester Stürmer“, sagte Sturm, „ich freue mich für ihn, wenn er jetzt hoffentlich zum richtigen Zeitpunkt seine beste Form findet.“  sid

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