Paris – Novak Djokovic sieht sich trotz seines neuen Status als alleiniger Grand-Slam-Rekordsieger nicht als größter Tennisspieler der Geschichte. „Ich möchte nicht sagen, dass ich der Größte bin. Ich denke, das wäre respektlos gegenüber all den großartigen Champions aus verschiedenen Ären“, sagte der 36-Jährige nach seinem dritten Titelgewinn bei den French Open.
„Ich überlasse diese Diskussionen, wer der Größte ist, anderen“, sagte Djokovic: „Aber ich habe natürlich großes Vertrauen in mich selbst. Diese Trophäe ist eine weitere Bestätigung für die Qualität des Tennisspiels, zu dem ich immer noch in der Lage bin.“ Die Bedeutung der Grand Slams wollte Djokovic im Anschluss auch gar nicht kleinreden: „Das sind die Turniere, die am meisten wert sind in der Geschichte unseres Sports.“ Der Serbe hatte am Sonntag durch seinen insgesamt 23. Major-Titel den Spanier Rafael Nadal (22 Titel) in der Bestenliste der Grand-Slam-Sieger überflügelt. Der beste Deutsche in diesem Kreis ist Boris Becker (6).
Um so erfolgreich zu sein, investiert Djokovic eine Menge. Goran Ivanisevic hat es da als Trainer manchmal schwer. „Er ist kein einfacher Kerl – vor allem, wenn etwas nicht so läuft, wie er will. Er hält einen immer unter Stress“, sagte der ehemalige Wimbledon-Champion nach dem Sieg seines Schützlings über den Norweger Casper Ruud 7:6 (7:1), 6:3, 7:5.
„Er hat uns gequält und uns die Nägel abgezogen. Es gibt noch viel mehr, aber das kann ich ihnen nicht sagen“, führte Ivanisevic mit einem Augenzwinkern aus: „Aber wir leben noch. Ich bin ein alter Mann, ich muss auf mein Herz aufpassen.“
Djokovic hatte sich in seiner Siegesrede auch bei seinen Betreuern und seiner Familie für „Geduld und Toleranz“ bedankt, weil er wisse, was sie mit ihm durchmachen. „Wir sind dafür da, geschlagen zu werden. Wir sind hier, damit er sich besser fühlt, bessere Leistung zeigt. Manchmal ist es nicht einfach, manchmal ist es sehr kompliziert“, so Ivanisevic.
Und weiter: „Wir haben mit dem neuen Sadomaso-Training angefangen. Es ist eine neue Art des Trainings: Von 2.00 Uhr morgens bis 6.00 Uhr morgens. (lacht) Ich meine, ich weiß nicht, was man mit ihm machen kann. Es ist immer etwas. Er ist der Typ, der immer etwas will. Er wacht auf und sagt: Meine Rückhand hat gestern nicht funktioniert, also müssen wir an der Rückhand arbeiten. Aber die Rückhand war perfekt für uns.“
Danach wurde der Kroate wieder ernst und schwärmte von Djokovic. „Ich bin sehr stolz auf ihn, besonders auf die letzten beiden Matches. Er hat diese Software in seinem Kopf, die er bei einem Grand Slam einschalten kann“, sagte Ivanisevic, der seit 2019 mit dem Serben zusammenarbeitet.
Der 51-Jährige ist sich sicher, dass Djokovics Rekordjagd noch lange nicht beendet ist. „Es ist faszinierend. Man denkt ‘okay: Jetzt hat er 23’. Aber er wird wieder von irgendwo die Motivation finden, 24 oder 25 zu gewinnen“, sagte Ivanisevic.
Den Siegeswillen hatte Ex-Konkurrent Andy Roddick einst treffend beschrieben: „Er nimmt dir die Beine, dann nimmt er deine Seele, dann gräbt er dein Grab und dann ist dein Begräbnis und du bist tot.“ Auch an Beweglichkeit hatte Djokovic mit 36 Jahren kaum eingebüßt „Er bewegt sich immer noch wie eine Katze auf dem Platz. Wie ein Ninja, er ist überall“, sagte Ivanisevic und schloss mit fünf Worten, die für die Konkurrenz fürchterlich klingen müssen: „Wer weiß, wo das endet?“. sid, dpa