München – „Olympia ist das Höchste, was ein Athlet in seiner Karriere erreichen kann!“ – die Worte seines Vaters hat Magomed Schachidov nie vergessen. Der 28-Jährige, der 2011 mit dem Boxen bei den Münchner Löwen begonnen hat, arbeitet seit Jahren auf seinen großen Traum hin und steht nun vor dem vorerst wichtigsten Turnier seiner Karriere: der Olympia-Quali bei den Europaspielen in Krakau Ende des Monats.
Vier Athleten qualifizieren sich in seiner Gewichtsklasse (Mittelgewicht), drei Siege werden für den EM-Dritten und Weltcupsieger vonnöten sein, um das Ticket zu lösen. „Ich bin voll im Saft und habe nur das Ziel vor Augen“, sagt der Münchner und wirkt dabei glasklar und fokussiert.
Außerhalb des Rings ist der Mann von den Box-Löwen ein bodenständiger und sympathischer Typ, den das Leben früh geprägt hat. Im Alter von neun Jahren flieht Schachidov mit seiner Familie aus Tschetschenien nach Deutschland – eine harte Zeit, in der er auch sein großes Vorbild unter Hochdruck erlebt hat: seinen Vater! „Was dieser Mann geleistet hat, ist unglaublich. Eine Familie durch den Krieg zu bringen und höchst kritische und risikoreiche Entscheidungen zu treffen, da ziehe ich den Hut“, stellt Schachidov ehrfurchtsvoll klar. Sein Kampfname „Son of War“ kommt also nicht von ungefähr.
Auch im Ring boxt der ambitionierte Kaderathlet offensiv. Ein stetiger Vorwärtsdrang, Ringdominanz und ein gewisser Killerinstinkt sind seine großen Stärken. Seine Achillesferse: die Emotionen, die manchmal mit ihm durchgehen. Doch der Mittelgewichtler bewegt sich alles in allem auf höchstem europäischem Niveau, das sieht auch der Vizepräsident des bayerischen Boxverbandes, Nick Trachte, so: „Wenn er seine Leistung abruft, wird Schachidov sich für Olympia qualifizieren. Dort traue ich ihm auch das Treppchen zu, das wird allerdings eine Riesenaufgabe!“
Der Boxwerk-Boss ist bekennender Optimist, doch auch realistisch gesehen sind die Chancen Schachidovs auf die Teilnahme an Olympia groß. Er hat sich bereits auf höchster Ebene bewiesen und scheint auch mental für das alles entscheidende Turnier gewappnet. An der Olympia-Quali für die letzten Spiele in Tokio konnte er wegen eines Mittelhandbruches nicht teilnehmen. Eine ganz bittere Erfahrung, die ihn mental aber noch deutlich stärker gemacht hat. Nun gilt es die Königsetappe Krakau zu meistern, um sich dann ein Jahr lang auf Paris vorzubereiten. Neben Schachidov starten fünf Frauen und sechs weitere Männer für Deutschland, die Qualifikationsplätze für Paris variieren je nach Gewichtsklasse. Weitere Topstars im deutschen Kader sind Nelvie Tiafack und Stefanie von Berge.
„Ich will die Olympischen Spiele in Paris 2024 gewinnen“, sagte der selbstbewusste Schachidov bereits letztes Jahr. Jetzt ist für ihn die Zeit gekommen, unter Hochdruck große Taten zu vollbringen. Genau wie sein Vater. ROMAN HORSCHIG