Coman ist gerne der Gegenentwurf

von Redaktion

Während Hernandez und Co. lieber weiterziehen, will der Flügelflitzer Bayern-Legende werden

VON HANNA RAIF UND PHILIPP KESSLER

München – Das Ständchen kam aus voller Kehle, nicht ganz im Takt, aber das war Kingsley Coman herzlich egal. Der Bayern-Spieler hatte beste Laune, als er beim Abendessen am Dienstag in Clairefontaine-en-Yvelines von seinen Nationalmannschaftskollegen mit einem standesgemäßen Geburtstagslied und einer funkensprühenden Torte überrascht wurde. Er stand auf, bedankte sich artig, am Ende wurden sogar die guten Stoffservietten in die Luft gewirbelt. Die Freude, die Coman von allen Seiten zuteilwurde, wirkte echt – und das war sie auch.

Seit November 2015, also bald acht Jahren, spielt Kingsley Coman für die A-Nationalmannschaft seines Heimatlandes. Damals war er 19 Jahre alt, seit Dienstag ist er 27, also immer noch jung – aber trotzdem ein alter Hase. Es geht ihm da im Trikot der Équipe Tricolore nicht anders als in jenem des FC Bayern, das er sogar noch länger trägt. Wenn Thomas Tuchel im Juli zum Trainingsauftakt bittet, startet Coman, deutscher Dauer-Meister, in seine neunte Saison an der Säbener Straße. Schon jetzt steht er in der Top Ten jener ausländischen Bayern-Spieler, die am längsten blieben. Erfüllt er seinen aktuell bis 2027 gültigen Vertrag, zieht er sogar mit Franck Ribery gleich – und zwar: auf Platz eins.

All das ist für ihn „unglaublich“, wie er jüngst im Vereinsmagazin 51 berichtete, aber es ist Teil des Planes, den sich der Vize-Weltmeister für seine Karriere bereitgelegt hat. Während Mitspieler wie Lucas Hernandez und Benjamin Pavard Wechselambitionen hegen, ist es Comans „ultimatives Ziel, den Verein so zu prägen, wie es die Spieler dieser Statistik über viele Jahre hinweg getan haben“. In einer Welt, in der „Vereinstreue immer seltener“ wird, gibt Coman gerne den Gegenentwurf. Zwar kann er „jeden verstehen, der einen Verein verlassen will, weil er dort nicht glücklich ist oder andere Dinge ausprobieren möchte. Aber viele vergessen dabei, dass man vor allem durch seine Mannschaft glänzt – und so etwas muss sich entwickeln.“

Es geht ihm da freilich um die Leistung auf dem Platz, die er mit Blick auf die äußerst turbulente zurückliegende Spielzeit als ausbaufähig ansieht. Er weiß aber auch um sein Potenzial, weit über den Rasen hinaus Einfluss auf seine Mitspieler, das Teamgefüge und den Staff zu nehmen. „Bewusst“, sagt Coman, habe er seinen Vertrag „so lange gemacht, weil ich mich für lange Zeit beim FC Bayern sehe und weiter alles geben werde, um eine Legende dieses Vereins zu werden“. In die Geschichtsbücher hat er sich bereits mit seinem Champions-League-Siegtreffer 2020 geschossen. Das reicht ihm aber nicht.

Es ist kein Zufall, dass Coman, der öffentlich selten in Erscheinung tritt, Teil des fünfköpfigen Mannschaftsrats ist. Seine Rolle ist dabei klar definiert. Der Flügelflitzer, der sich sein inzwischen fließendes Deutsch hart erarbeitet hat, gilt als Integrationsbeauftragter für ausländische Profis. Er sagt: „Wenn du ein gewisses Standing erreicht hast, kannst du dich nicht mehr nur um dich selbst kümmern. Du hast eine Verantwortung.“ Daher treibt er mal an, nimmt aber auch mal in den Arm: „Das hat mit Psychologie zu tun.“

Die Bezeichnung „bayerischster aller ausländischen Spieler“ gefällt Coman, die „Mentalität des Vereins“ bezeichnet er als „prägenden Teil meines Charakters“. Sogar die nicht überall beliebte Lederhose trägt er mit Stolz, nur seinen liebsten bairischen Satz hören sie bei Bayern nicht gerne. Er lautet: „I bin miad“ – und ist für junge Hüpfer eigentlich verboten.

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