Mauern einreißen in Berlin

von Redaktion

Bei den Special Olympics geht es um Medaillen und Inklusion

Berlin – Eunice Kennedy-Shriver hatte genug gehört. Die Schwester des damaligen US-Präsidenten John F. Kennedy musste Anfang der 1960er-Jahre die Anrufe mehrerer verzweifelter Mütter entgegennehmen, all diese Frauen hatten kein passendes Sommercamp für ihre geistig behinderten Kinder gefunden. Also nahm sich die taffe Turnlehrerin aus Massachusetts der Sache höchstpersönlich an – und leitete so die Geburtsstunde der Special Olympics ein.

Was als kleines Feriencamp in einem Vorort von Washington D.C. auf der Farm von Eunice begann, ist heute die weltweit größte Sportbewegung für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung. Mit ihrem Pioniergeist verhalf die Aktivistin Millionen Betroffenen zu mehr gesellschaftlicher Teilhabe. Heute gehören über 5,2 Millionen Athletinnen und Athleten der Special-Olympics-Bewegung an. Bei den Weltspielen in Berlin vom 17. bis 25. Juni werden rund 7000 von ihnen aus 190 Staaten erwartet. Es ist die größte Multi-Sport-Veranstaltung in Deutschland seit den Olympischen Spielen 1972. Dabei geht es um mehr als nur Medaillen oder persönliche Bestzeiten.

Ob am Alexanderplatz, am Wannsee oder im Olympiastadion: Die Weltspiele sollen zu einem weltoffenen Fest der Begegnung werden. „In Berlin, der Stadt der Mauer, wollen wir Mauern in den Köpfen einreißen“, sagte Tom Hauthal, Delegationsleiter Team Deutschland Special Olympics: „Alle sind total aufgeregt. Die Euphorie ist riesengroß. Wir wollen in der Stadt zeigen, was unsere Athletinnen und Athleten leisten können.“

Mehr als 400 Starterinnen und Starter aus Deutschland treten an. Keine der teilnehmenden Nation stellt eine größere Delegation. Zu ihr zählen auch rund 130 Trainerinnen und Trainer, hinzu kommen Ärzte, Physiotherapeuten und weiteres Personal. 20.000 Volunteers heißen die internationalen Gäste willkommen.

Sie alle eint ein verbindender Gedanke. „Wer den wahren Kern des Sports erleben will, der muss zu den Special Olympics gehen“, sagte Hauthal: „Das olympische Motto ‘Dabei sein ist alles’ wird bei uns gelebt.“

Ehrgeiz und Ambitionen sind ungeachtet dessen groß. Bei den Special Olympics werden Höchstleistungen geboten, hinter denen Fleiß, Einsatz und Disziplin stecken. „Wir wollen auf den Punkt gut vorbereitet sein, Deutschland gut repräsentieren und unsere beste sportliche Leistung zeigen“, sagte Hauthal.

Dennoch: „Es geht nicht darum, dass es zwingend eine Medaille sein muss. Wenn es dann der fünfte Platz war, erlebt man diese authentische Freude auch. Diese Authentizität ist als Zuschauer vor Ort sehr ansteckend.“

Der Erfolg soll über das Resultat hinausgehen – auch mittel- und langfristig. Die Sichtbarkeit der Special Olympics soll als Inklusions-Katalysator dienen und nachhaltige Verbesserungen anstoßen.

„Die Weltspiele können ein großer Motor sein“, sagte Hauthal. Es sei klar, dass sich die Sportlandschaft nicht von heute auf morgen verändern werde. Politik und Sportfachverbände seien dennoch aufgerufen, Veränderungen anzustoßen. „Das eine ist der Sport in den Behinderteneinrichtungen. Wenn Athletinnen und Athleten aber in einen Verein möchten, dann müssen wir es gemeinsam mit Sport-Deutschland schaffen, dass sich Vereine ein Stück weit öffnen“, sagte Hauthal.  sid

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