Rasendes Rätsel

von Redaktion

FORMEL 1 Mick Schumacher ist zum Spielball der Teampolitik geworden

München – Mick Schumacher (24) bleibt weiter ein rasendes Rätsel. Auch nach seinen ersten Testfahrten im Mercedes am Mittwoch in Barcelona können selbst eingefleischte Formel-1-Experten immer noch nicht sicher sagen, welches Potenzial der Sohn der deutschen Motorsportikone tatsächlich hat. Der Grund: Bei den Übungsfahrten der neuen Pirelli-Reifen für die nächste Saison kannten die Teams nur ihr eigenes Programm, angefangen mit der Benzinmenge, die ein Pilot bei seiner besten Runde mit an Bord hatte. Schon zehn Kilo Gewichtsunterschied machen in Barcelona 0,4 Sekunden Zeitunterschied aus. Dazu kommt: Rundenzeiten hängen von den Witterungsbedingungen ab. Schon fünf Grad höhere Asphalttemperaturen beeinflussen Rundenzeiten ebenso wie verschiedene Windgeschwindigkeiten. Deshalb sind die 1.18,974 min, die Schumacher als Bestzeit verbuchen konnte, schwer mit der Topzeit von Stammpilot George Russell (1.18,400 min) zu vergleichen.

Fest steht: Mercedes ist extrem zufrieden mit dem, was Schumacher junior bei seinen 153 Runden geleistet hat. Das Spitzenteam bestätigte damit Lewis Hamiltons Lob. Der sagte, Schumacher habe einen großen Teil dazu beigetragen, dass Mercedes beim Spanien-GP vor einer Woche die Plätze zwei und drei belegen konnte.

Fest steht aber auch: Haas-Teamchef Günther Steiner hat mit seiner oft polemisch vorgetragenen Kritik den Ruf Mick Schumachers ruiniert. Selbst sonst so nüchterne Zahlenanalytiker wie der zukünftige Audi-Formel-1-Boss Andreas Seidl haben wegen der subjektiven Bewertung Steiners erhebliche Zweifel daran, ob Schumacher – trotz deutschen Passes und Legendennamens – der richtige Fahrer für das ehrgeizige Formel-1-Projekt der Ingolstädter sein könnte, das 2026 startet.

Ex-Formel-1-Boss Bernie Ecclestone (90) bringt die vertrackte Situation auf den Punkt: „Ein erfolgloser Teamchef hat dafür gesorgt, dass Micks Karriere in der Formel 1 erst mal beendet ist. Was allerdings ist von den Aussagen eines Mannes zu halten, der nur durch deftige Sprüche in einer auf den US-Markt gezielten, von Hollywood inszenierten Doku zum Superstar des Fahrerlagers wurde?“

Bitter für Schumacher: Er gerät immer mehr in die Mühlen der Politik, die jenseits von Rundenzeiten über Karrieren entscheidet. Bei Red Bull gab es in letzter Zeit dafür zwei Beispiele. Ende vergangenen Jahres machte sich Alpha-Tauri-Teamchef Franz Tost dafür stark, Schumacher im Juniorteam Red Bulls fahren und lernen zu lassen. Tost, der Ende diesen Jahres aufhört, bestätigt das im Telefonat mit unserer Zeitung: „Mick ist besser als sein Ruf. Er hat die beiden wichtigsten Nachwuchsklassen gewonnen, alleine das berechtigt ihn, in der Formel 1 zu fahren. Ich wies darauf hin, dass in der komplexen Formel 1 von heute ohne Testfahrten auch die größten Talente mindestens drei Jahre bräuchten, um ihr Potenzial abzurufen. Doch es wurde an oberster Stelle entschieden, ihn nicht zu nehmen. Ein Grund war, dass er damals noch Mitglied im Ferrari-Juniorkader war.“

Das Spiel wiederholte sich vor wenigen Wochen. Diesmal stand Mercedes unter anderem im Weg. Teamchef Toto Wolff suchte das Gespräch mit dem neuen Red-Bull-Konzernchef Oliver Mintzlaff, um Schumacher unterzubringen. „Es wurde bei einem Meeting erwähnt. Blöd nur, dass Herr Wolff gleichzeitig wieder offen Politik bei der FIA gegen uns machte. Damit war das Thema vom Tisch“, erklärt Red-Bull-Chefberater Helmut Marko. Und weiter: „Warum sollen wir Schumacher auffangen? Er ist Mercedes-Pilot, Herr Wolff ist für ihn verantwortlich. Wenn er so viel von ihm hält: Warum lässt er ihn nicht im eigenen Team fahren oder sorgt mit seinem Einfluss dafür, dass er in einem Kundenteam wie Williams unterkommt?“

Für Schumacher ist es schwer, diesen Teufelskreislauf zu verlassen. Franz Tost hofft trotzdem, dass er es schafft: „Er hat das Zeug für einen sehr guten Formel-1-Piloten. Und das hat nichts mit der Magie seines Namens zu tun.“ RALF BACH

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