Warschau – Es fällt auch für Anhänger des FC Schalke 04 trotz der großen Zuneigung zum Fußball gar nicht so leicht, enge Bande zur Nationalmannschaft zu knüpfen. Von den Protagonisten, die es über die hauseigene Knappenschmiede zum Weltmeister brachten – Manuel Neuer, Benedikt Höwedes, Mesut Özil und Julian Draxler – befindet sich aktuell niemand mehr im deutschen Aufgebot. Doch wie das Schicksal es so will, kommt pünktlich zum Länderspiel gegen Kolumbien (Dienstag 20.45 Uhr/RTL) einer zurück ins Revier, den die königsblaue Gemeinde noch als Angehörigen betrachten kann: Malick Thiaw, erst vergangenen Sommer für rund sieben Millionen Euro von Schalke zum AC Mailand gewechselt. An alter Wirkungsstätte ist er nun Hoffnungsträger.
Der Debütant gab in Warschau den einzigen Gewinner eines ernüchternden Länderspiels gegen Polen (0:1). Hansi Flick hatte ihn als „Highlight“ gesehen, „wenn man das überhaupt so sagen“ könne. Der Bundestrainer lobte eine „sehr solide, sehr reife“ Vorstellung. Der 21-Jährige bestach durch ordentliche Zweikampfführung, sauberen Aufbau und gutes Stellungsspiel, und fast hätte er vor seiner Auswechslung noch das 1:1 erzielt.
Zwischen Flick und U 21-Nationaltrainer Antonio di Salvo ist längst verabredet, dass das Verteidigertalent nicht die U 21-EM in Georgien und Rumänien spielt, sondern gleich die EM 2024 in Deutschland angeht. „Das ist ein klares Ziel für mich“, versicherte der Ex-Schalker, der optimale körperliche Voraussetzungen einbringt. Taktisch ist es für ihn zudem kein Problem, zwischen Dreier- oder Viererkette zu wechseln, denn auch bei den „Rossoneri“ sind beide Varianten im Repertoire.
Für den 1,94-Meter-Hünen hat sich der Wechsel nach Italien als Karrierebeschleuniger entpuppt, auch wenn es bis in den Februar hinein brauchte, bis ihm Trainer Stefano Pioli vertraute. „Ich bin Mailand unglaublich dankbar für die Entwicklung und dass sie mir die Chance gegeben haben. Ich hatte erwartet, dass ich nicht sofort dort spielen würde, weil ich zum italienischen Meister gekommen bin. Aber ich bin mit der Entwicklung sehr zufrieden.“
Thiaw verhehlt nicht, dass ihm verschiedene kulturelle Einflüsse „viel mitgegeben haben“. Seine Mutter war in Finnland eine erfolgreiche Leichtathletin, sein Vater hat im Senegal das Tor gehütet. „Da wird man schnell fündig, was meine Wurzeln betrifft“, sagte er. Zu Hause sei vor allem Finnisch gesprochen worden: „Als kleiner Junge konnte ich auch Französisch, das habe ich aber zu Teilen wieder verlernt, weil Unterhaltungen schnell wieder in Finnisch oder Deutsch umgeschlagen sind.“
Der finnische Verband forderte Thiaw mal für seine U 17-Auswahl an, aber der gebürtige Düsseldorfer hat sich nach der Einbürgerung 2021 für den deutschen Weg entschieden, was jetzt wichtig sein könnte. Dass ihm Flick gleich den zentralen Part übertrug, war ein Vertrauensbeweis. „Nebenmann Antonio Rüdiger lobte: „Er hat super gespielt und Persönlichkeit gezeigt. Es war ein sehr, sehr gutes Debüt. Sehr, sehr positiv.“ FRANK HELLMANN