Ob Kimmich sich unterordnet?

von Redaktion

Gündogan bräuchte, um beim DFB wie bei City zu glänzen, einen Sechser

VON GÜNTER KLEIN

Frankfurt/München – Als er vor ein paar Tagen zur Nationalmannschaft stieß, wurde Ilkay Gündogan mit Applaus begrüßt. „Das war mir etwas unangenehm“, sagt er. Von seinem Naturell brauche er es nicht, „im Mittelpunkt zu stehen“, grundsätzlich gilt, „dass ich auch um meine Stärken kein Tamtam mache“. Der andere Punkt, den Gündogan, mit Manchester City gerade Champions-League-Sieger geworden, nicht offen ausspricht: Wer ist er denn bisher schon im Nationalteam? Er ist lange dabei, seit zwölf Jahren mittlerweile, kann aber keine große Geschichte nachweisen: Bei der EM 2012 war er stiller Reservist, WM 2014 und EM 2016 verpasste er verletzt, die WM 2018 war überschattet von der Erdogan-Affäre. EM 2021, WM 2022 – liefen für ihn persönlich etwas besser, doch weder Joachim Löw noch Hansi Flick als Bundestrainer setzten so richtig auf ihn. Es kam vor allem in Katar zu merkwürdigen Auswechslungen des stabilen Gündogan.

Und nun, bevor es heute (20.45 Uhr, RTL) in der Sommer-Testspiel-Trilogie abschließend gegen Kolumbien geht, sind in der öffentlichen Erwartung plötzlich ganz andere Rollen für den 32-Jährigen vorgesehen: Gündogan, der Heilsbringer, der Erlöser, der Chef. Er lächelt das freundlich weg: „So sehe ich mich nicht.“

Doch in der Statik der Nationalmannschaft hat sich etwas verschoben, was Ilkay Gündogans Wichtigkeit erhöht. Joshua Kimmich, der mit breiter Brust die Anführerrolle beansprucht, steht im Feuer der Kritik. Kimmich und Gündogan sind Positionsrivalen im Mittelfeld. Dass sie möglicherweise nicht gut miteinander können, zeigte sich im Viertelfinale der Champions League zwischen FC Bayern und Manchester City, als sie auf dem Spielfeld rustikal aneinandergerieten und der sonst so sanftmütige und beherrschte Gündogan sehr aufgebracht wirkte. „Mit Jo gibt es kein Problem, wir kennen uns seit Jahren, haben mit- und gegeneinander gespielt“, versucht Gündogan, den Konflikt abzumoderieren. Diplomatisch.

Aber Gündogan stellt für sich in der Nationalmannschaft eine Ausrichtung in den Raum, die zulasten Kimmichs gehen würde. „Wie bei City fühle ich mich am wohlsten als Achter oder Zehner. Da kann ich den Drang nach vorne suchen – mit Absicherung durch einen klaren Sechser.“ Also: Wäre Kimmich, der sich als Antreiber und Gestalter sieht, Standards ausführen und Chipbälle in den Strafraum spielen will, bereit, Gündogan glänzen zu lassen?

Vielleicht profitiert das deutsche Spiel mehr, wenn nur einer der beiden Strategen auf dem Platz steht. Doch weil durch eine Entweder-oder-Entscheidung Potenzial brachliegen würde, sucht Bundestrainer Hansi Flick, der am Montag ziemlich aufgeräumt wirkte, nach wie vor nach der Aufteilung der Jobs, die beide zusammenbringt. Gündogan wirbt öffentlich nur verhalten für sich: „Ich bin nicht auf jeder meiner Positionen der Beste der Welt, aber meine Stärke ist, dass ich mich schnell anpassen kann. Hansi weiß, dass ich flexibel einsetzbar bin.“

Viele Worte muss Ilkay Gündogan derzeit gar nicht verlieren, für ihn sprechen andere: wie sein Vereinstrainer Pep Guardiola, der sagte, wenn Ilkay in Manchester nicht verlängere, verliere City einen großen Spieler. Und wenn er nach Barcelona wechsle, bekomme Barca einen großen Spieler. Den großen Spieler nicht zurückbekommen wird Borussia Dortmund. Einen Wechsel zu seinem Ex-Club schloss Gündogan am Montag aus.

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