Todesfälle bei Sport-Events

Wiegerts große Geste

von Redaktion

MATHIAS MÜLLER

21 Jahre nach seinem Titelgewinn als Spieler durfte Bennet Wiegert am Sonntag die Champions-League-Trophäe nun also auch als Trainer hochheben. Er ist erst der fünfte Handballer (nach Duschebajew, Ortega, Parrondo und Jicha), der dieses Kunststück vollbrachte. Dass in seinem Team mit Matthias Musche und Philipp Weber zudem zwei Eigengewächse standen, machte das Magdeburger Märchen fast schon ein bisschen zu kitschig. Einen großen Anteil hatte auch Gisli Kristjansson. Der Isländer erzielte sechs Treffer – dabei war wenige Stunden vor Anpfiff nicht klar, ob er spielen kann. Gerade erst wie durch ein Wunder von einem Knöchelbruch vier Wochen zuvor genesen, kugelt sich der 23-Jährige im Halbfinale am Samstag die Wurfarm-Schulter aus. Doch er biss auf die Zähne.

Kristjansson ist von den Toten auferstanden, würde man wohl unter anderen Umständen überspitzt schreiben. Doch das verbietet sich in diesem Fall, da ein polnischer Journalist während des Spiels kollabierte. Die Nachricht, dass er später im Krankenhaus verstarb, erreichte die Magdeburger erst nach dem Spiel, doch schon bei der Spielunterbrechung in der 48. Minute – der SCM lag mit zwei Toren zurück – ging Coach Wiegert zu seinem Gegenüber und bot an, das Spiel abzubrechen und Kielce damit zum Champion zu machen. Eine große Geste.

Es kam anders. Doch die Frage, wie man mit dem Tod umgehen sollte, bleibt. Vor drei Tagen verstarb Rad-Ass Gino Mäder nach einem Sturz bei der Tour de Suisse und vor zwei Wochen überschattete ein Todesfall eines Motorradfahrers den Triathlon in Hamburg. Beide Veranstaltungen wurden, wie das Handball-Finale, fortgesetzt – und das war richtig so. Der Tod gehört, so tragisch er manchmal auch ist, zum Leben. Zudem weiß man zum Schock-Zeitpunkt oft nicht, wie schlimm die Folgen sind. Würde jeder medizinische Notfall zum Abbruch führen, gäbe es pro Jahr hunderte davon im Sport.

Worauf man aber sehr wohl achten sollte, sind respektvolle Rahmenbedingungen. Beim Handball sagte man die Pressekonferenz ab, die Rad-Rundfahrt setzte eine Etappe aus. Auch in Hamburg verzichtete man auf die große Siegerzeremonie und reagierte richtig – im Gegensatz zum Ironman-Rechteinhaber, der auf seinem Youtube-Livestream noch lange von einem „herrlichen Tag“ sprach, obwohl die Todesnachricht längst offiziell war.

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