Eichenried – Es gab Zeiten bei den BMW International Open, da war man froh, wenn drei oder vier deutsche Golfer den Cut geschafft haben, im Idealfall einer davon in der Spitzengruppe mitspielte. Dieses Szenario war keine Seltenheit in den vergangenen Jahrzehnten. Sieht man mal vom emotionalen Sieg Martin Kaymers im Jahre 2008 ab. Richtige Heimspielatmosphäre? Dafür sorgten oft nur die Zuschauermassen, die die Spielbahnen im Golfclub Eichenried flankierten. Die deutschen Profis wirkten gehemmt, verunsichert, setzten sich zu sehr unter Druck, daheim abliefern zu müssen. Max Kieffer macht daraus keinen Hehl, räumt ein: „Martin Kaymer stand immer etwas vorne dran, er hat dann auch die Kritik abbekommen, wenn es nicht so lief.“ Und hielt sie vom Rest etwas fern. Wie ein Prellbock.
Ein Bild, das sich kräftig gewandelt hat. Beim Auftakt der BMW Open gestern im Münchner Nordosten fiel es zum Beispiel am Ende fast nicht auf, dass einer der Besten aus der deutschen Riege, die Ryder-Cup-Hoffnung Yannik Paul, plötzlich auf der Ergebnisliste fehlte. Am Morgen musste der Frankfurter aufgeben. Bitter. Der Rücken spielte nicht mit. Die Physiotherapeuten der Tour versuchten ihr Möglichstes – es ging nicht. Aus, vorbei. Ein Riesennachteil mit Blick auf die Quali für den Kontinentalvergleich Ende September. Aber: Der Rest des deutschen Megafelds – 21 Teilnehmer blieben nach Pauls Rückzug, Rekord in München – kaschierte diesen Ausfall bestens.
Kieffer (Düsseldorf) selbst spielte fünf unter Par, Marc Hammer (Sandhausen) zog mit ihm gleich, und auch der Münchner Thomas Rosenmüller legte einen Traumstart ins Heimturnier auf seinem Heimatplatz hin: 67 Schläge, ebenfalls -5.
Der einzige wirkliche Lokalmatador vom Golfclub Eichenried ist fast schon ein Überraschungsgast bei den BMW Open. Denn nur seinem Bruder ist es zu verdanken, dass der 26-Jährige heuer spielt. „Er hat am Wochenende vorher geheiratet“, verrät Rosenmüller. Eine glückliche Fügung. Sonst wäre er nicht aus den USA angereist. „Für fünf Tage rüberzukommen, macht keinen Sinn.“ Dazu geht es für ihn in den Staaten auf der Korn Ferry Tour, die zweite Liga unter der PGA Tour, um zu viel. Dort läuft der „brutale Kampf“ um die Spielberechtigung für 2024. „Da ist es schwierig, wenn du zwei Turniere auslässt.“ Aber die Hochzeit des Bruders – „davon habe ich nur einen“, sagt er und lacht –, die wollte er sich nicht entgehen lassen. Eine Einladung nach Eichenried machte da auch Sinn.
Rosenmüller geht das Heimspiel heuer im Grunde ganz entspannt an. „Ich habe nichts zu verlieren, kann nur gewinnen.“ Denn seinem Hauptjob geht der Oberbayer, der in Dallas/Texas lebt, eben in den USA nach. Natürlich geht es für ihn um Preisgeld, aber das zählt nicht für die Jahreswertung über dem großen Teich. Richtigen Einfluss auf Rosenmüllers Weg könnte nur ein Sieg am Sonntag haben. Dann würde er sich die Tourkarte in Europa für zwei Jahre verdienen. Dann müsste er wohl ein bisschen grübeln, was er künftig macht. So aber „sehe ich meine golferische Zukunft schon eher in den USA“. Da ist er offen.
Nach Tag eins stehen die Chancen nicht schlecht. Rosenmüller liegt im Pulk unweit der Spitze. Die hielten bei Gewitterabbruch gegen 19 Uhr drei Spieler mit sechs Schlägen unter Par: der Italiener Edoardo Molinari, der Franzose Adrien Saddier und der Japaner Rikuya Hoshino. Viel fehlte bei den Deutschen nicht, um diesen Spitzenwert zu erreichen. Kieffer spielte gar acht Birdies bei seinem „mit Abstand Lieblingsturnier“ auf der Tour, leistete sich aber nach einem Raketenstart drei Bogeys. Rosenmüller sah ebenfalls „viel Luft nach oben“. Seine Bilanz auf den Par 5-Bahnen machte ihn nicht glücklich. „Da hab’ ich eins über gespielt, obwohl ich mit meiner Länge alle mit zwei Schlägen erreichen kann.“ Drei Schläge habe er somit locker liegen gelassen.
Was nicht ist, kann ja noch werden. Eines hat er sich vor dieser Woche nämlich vorgenommen: „Ich spiele hier voll auf Sieg.“