Hart aus der Kabine

von Redaktion

Fußball diskutiert Interviews während des Spiels, im Eishockey gibt es sie schon lange: Schaffen sie Mehrwert?

München – Eine Idee, die Donata Hopfen während ihrer kurzen Zeit an der Spitze der Deutschen Fußball Liga (DFL) laut gedacht hatte, wird im nächsten Medienrechtepaket nicht realisiert: Die Drohne, die Anflug auf den Elfmeterpunkt nimmt, einen Kommentar des Strafstoßschützen zur bevorstehenden Exekution abfragt und ihn an die am TV und anderen Endgeräten Zuschauenden weiterleitet. Doch ab 2025 sollen Halbzeit-Interviews mit Spielern angeboten werden. Die DFL erhofft sich Mehrerlöse.

Halbzeit-Interviews gab es im Fußball allenfalls mal mit Trainer-Assistenten auf Goodwill-Basis, grundsätzlich gilt im Fußball aber, dass speziell die Spieler vor den Medien quasi geschützt werden sollen. Die Praxis, die sich etabliert hat: Letzte öffentliche Äußerung zwei Tage vor dem Spiel, danach verschwinden die Profis im Tunnel der Konzentration, und erst nach dem Schlusspfiff tauchen sie wieder auf. Dann bekommen sie von der fürsorglichen Medienabteilung ihres Vereins einen wärmenden Mantel übergestreift, damit sie sich nicht verkühlen, wenn sie erklären, wie viel der Sieg ihnen bedeutet oder wie schwer die Niederlage sie belastet. In gut zwei Jahren sollen sie dann schon nach der ersten Hälfte vors Fernsehpublikum treten und ankündigen, was in der zweiten besser wird.

Eine Innovation? Revolution im deutschen Sport? Mitnichten. In der Deutschen Eishockey Liga (DEL) gibt es Kommentare zum Spiel während des Spiels, seit die Telekom 2018 die Rechte erwarb und die Partien auf ihrem Portal MagentaSport (zuvor Telekomeishockey) streamt. In jeder Drittelpause wiederholt sich das Prozedere: Die Teams gleiten vom Eis in die Kabinen zur auf 18 Minuten angesetzten Unterbrechung, ein Akteur bleibt noch ein Weilchen, es wird eine Werbewand aufs Eis gefahren, vor der er platziert wird. Er nimmt den Helm ab, bekommt einen Kopfhörer mit Mikrofon übergestülpt und wird direkt vom Kommentatorenplatz in der Halle aus befragt. Bei größeren Spielen, etwa in den Playoffs, setzt die Telekom auch eigene Fieldreporter ein.

Nachdem man das im Eishockey, seit jeher ein Testlabor für Veränderungen in anderen Sportarten, seit sechs Jahren verfolgen kann, die Frage: Sind diese Kurzgespräche etwas, das Mehrwert schafft? Auflösung: Bedingt.

Zunächst einmal: Alle Eishockey-Schaffenden sind relativ freundliche Menschen. Pampig wird in diesen Live-Situationen keiner. Manche schalten halt auf rhetorischen Autopiloten, rufen Floskeln ab – egal, ob auf Deutsch oder Englisch, der Eishockey-Amtssprache

„Wir wussten, dass sie hart aus der Kabine kommen.“

„Wir müssen von der Strafbank wegbleiben. Sie haben gute Special Teams.“

„We must get behind their D.“ Ja, wirklich, „D“. Steht für Defence, die Verteidigung.

„We must bring pucks and bodies to the net“ – „Wir müssen für Verkehr vor ihrem Tor sorgen, dann fällt auch mal einer rein“.

„Wir müssen einfach spielen“ – „Keep it simple“.

Im Eishockey gibt es neben der Drittelpause sogar noch weitere mögliche Interview-Slots. Jeder der drei Spielabschnitte hat ein „Powerbreak“ von 90 Sekunden, in dem Werbung eingespielt werden kann. Oder ein kurzes Gespräch an der Bande. Ein Highlight der vergangenen Saison bot Augsburgs Verteidiger Wade Bergman, der bei einem 0:6-Rückstand in München nach 30 Minuten meinte, dass noch gar nichts entschieden sei: „Im Eishockey kann es ganz schnell gehen.“ Natürlich folgte keine Aufholjagd.

So gut wie jeder Spieler muss im Lauf der Saison mal vors Mikrofon. Es käme in der Kabine nicht gut an, wenn einer sich um diese Aufgabe drücken würde. Gleichwohl haben manche Akteure höhere Präsenz. Bei Meister München etwa sind der heimeligen Dialekt sprechende Konrad Abeltshauser, Maxi Kastner und Kapitän Patrick Hager häufig dran. Und Andreas Eder, der in den Playoffs vom Protokoll stetiger Zuversicht abwich, als er anmerkte, man habe noch kein einziges Mal „60 Minuten konstant gespielt“.

Überwiegend bleiben die Aussagen unverbindlich –- einen Einblick geben sie aber: Wie sehr hat sich ein Spieler anstrengen müssen? Es gibt sowohl die, auf deren Stirn nicht einmal eine Schweißperle funkelt, als auch die schwer Schnaufenden. Und wenn das nun auch im Fußball käme? Eine nette Option, ab und an ein Aufregerchen für die paar Minuten bis zum Wiederanpfiff. Die Welt würde sich aber nicht verändern. GÜNTER KLEIN

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