München – Super-GAU – so bezeichnete Nationalmannschaftsleiter Joti Chatzialexiou das Vorrundenaus der deutschen U21-Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft in Rumänien und Georgien. Kurz zuvor musste sich das Team von Trainer Antonio Di Salvo einer englischen B-Mannschaft sang und klanglos mit 0:2 (0:2) geschlagen geben.
Die Auftritte, die der DFB-Nachwuchs während des Turniers zeigte, passen ins Gesamtbild, das der deutsche Fußball derzeit abgibt: Es ist eine Bankrott-Erklärung auf fast allen Ebenen. Lediglich der EM-Triumph der U17-Mannschaft in Ungarn macht etwas Zukunftshoffnung. Ansonsten hat sich ein fußballerisches Versagen auf ganzer Linie eingeschlichen: Die A-Mannschaft kommt nach dem Vorrundenaus bei der Weltmeisterschaft in Katar unter Bundestrainer Hansi Flick weiterhin nicht auf die Füße. DFB-Sportdirektor Rudi Völler feuerte daher im Rahmen der U21-EM schon mal einen Warnschuss ab: „Da muss im September eine Reaktion kommen, das weiß auch Hansi Flick.“
Doch nicht nur die Nationalmannschaft, auch der Nachwuchs steht in der Pflicht: Das U20-Team war bei der WM-Endrunde in Argentinien im vergangenen Mai nicht vertreten, für die anstehende U19-EM im Juli in Malta hat sich das deutsche Team ebenfalls nicht qualifiziert. Trotz all dieser Nackenschläge mahnte Chatzialexiou, man dürfe in diesem Sommer „den deutschen Fußball auch nicht begraben“. Stattdessen sei es an der Zeit, mutige Veränderungen einzuleiten: „Meine Vision ist es, dass wir langfristig einen größeren Pool an herausragenden Talenten haben werden, als es heute noch der Fall ist.“ Ob der Absender dieser Worte derjenige sein wird, der den deutschen Nachwuchs wieder auf Vordermann bringt, ist jedoch fraglich.
Wie unsere Zeitung erfuhr, soll sich der innerhalb des DFB grundsätzlich geschätzte Chatzialexiou bereits bei dem einen oder anderen Club angeboten haben. Dies hätten die Entscheidungsträger innerhalb des Verbands sehr wohl registriert. Bereits im April hatte Meikel Schönweitz, als Cheftrainer der U-Nationalmannschaften ebenfalls Teil der sportlichen Leitung, den Verband verlassen. Er arbeitet mittlerweile bei Mainz 05 und hat dort den neu geschaffenen Posten Direktor Fußball-Entwicklung übernommen. Ob Chatzialexiou einen ähnlichen Schritt anstrebt?
Den Zerfall der U 21 erlebte er noch aus nächster Nähe. Bereits eine Woche vor EM-Start meldeten viele Spieler in ihrem jeweiligen Umfeld Bedenken im Hinblick auf das Turnier. Sogar von einem Himmelfahrtskommando war aufgrund der mangelnden Qualität im Kader und Verletzungspech die Rede. Ebenfalls Teil der Kritik: Di Salvo, der das schwere Erbe von Vorgänger Stefan Kuntz angetreten hatte und dem in der Kabine mangelnde Autorität und Motivationsfähigkeit vorgeworfen wird.
Chatzialexiou sicherte dem U21-Trainer nach dem ersten Turnier als Hauptverantwortlicher für die U21 weiter das Vertrauen zu. Der Vertrag von Di Salvo wurde erst kurz vor EM-Start bis zum Jahr 2025 verlängert. Nach der Sommerpause werde der Blick nach vorne gerichtet, versicherte Di Salvo.
Übrigens: Selbst die Rolle von Co-Trainer Hermann Gerland wurde hinterfragt. Angesichts seiner Erfolge in der Vergangenheit war der Respekt der Spieler vor dem 69-Jährigen zwar groß – aber eher als „Maskottchen“ statt als Tiger.