Als vor einem Jahr Kay Bernstein zum Präsidenten von Hertha BSC gewählt wurde, erschraken einige im Fußball: Der ehemalige Ultra, auf der Mitgliederversammlung trug er nicht feines Tuch, sondern Trainingsjacke – Gefahr! Gemäßigte Kräfte wiesen darauf hin, dass der ehemalige Kurvengänger Bernstein mittlerweile als Unternehmensberater tätig sei und nicht mit Bengalofackel durch den VIP-Bereich ziehen würde.
Die erste Bernstein-Saison endete – sicher nicht durch sein Verschulden, das muss man schon sagen – im Abstieg in die 2. Liga, er hat die Machtlosigkeit erleben müssen, wenn im eigenen Haus die Investoren den Ton angeben (erst der windige Lars Windhorst, dann die Amerikaner 777 Partners). Viele desillusionierende Faktoren, die Bernstein nun zu einem Rundumschlag gegen den (deutschen) Profifußball veranlasst haben. Er nennt das System unfair, monopolistisch, korrupt, er klingt wie der Dramatiker Georg Büchner, der einst proklamierte: „Friede den Hütten, Krieg den Palästen!“ Kommt jetzt doch der alte Radikalfan durch? Einmal Ultra, immer Ultra?
Im Grunde hat Bernstein Recht – so wie auch die kluge taz-Redakteurin Ulrike Herrmann Recht hat, die den Nummer-eins-Bestseller „Das Ende des Kapitalismus“ schrieb, in dem sie erklärt, warum Wachstum Grenzen hat, wenn man die Welt überleben lassen will. Doch Recht haben und Recht bekommen liegen eben oft weit auseinander – und so wie viele Deutsche an ihrem privilegierten Lebensstil nichts ändern wollen, ist es auch im Fußball. Das System ist vordergründig zwar eines, das Leistung belohnt, was irgendwie gerecht klingt, doch es hat auf diesem Weg die Ungleichverteilung etabliert. Wenn Bernstein nun eine Umverteilung der Gelder fordert, werden ihm die Clubs von oben, die um ihre Vormachtstellung und internationale Reputation fürchten, ins Gesicht springen wie der empörte Kraftfahrer, wenn ihn ein Klimakleber aufhalten will.
Die Revolution, die Kay Bernstein bereits im Gange wähnt, wird nicht stattfinden im Fußball. Und sein Verein kann die Oppositionsbewegung moralisch auch gar nicht anführen, weil er das Paradebeispiel dafür ist, dass man den Fängen eines Investors nicht entkommen wird. Auf einen scheiternden Investor wie Windhorst folgt eben ein anderer Investor, der sein Schnäppchen machen will, aber niemals die Freiheit. Kay Bernstein hat keine Chance.
Guenter.Klein@ovb.net