Sprung in die Weltspitze

von Redaktion

Leichtathletik-Hoffnung Mikaelle Assani gehört mit 20 Jahren bereits zur Elite

VON NICO-MARIUS SCHMITZ

München – Mikaelle Assani sollte in Zukunft häufiger auf den Propheten in ihrem Team hören. „Ein Trainingskollege von mir hat mir immer gesagt, dass ich dieses Jahr sehr weit springen werde. Dass er es voraussagt. Ich habe ihm immer entgegnet: Du bist ja witzig.“

Vor einem Monat sprang Assani dann bei der Kurpfalz-Gala in Weinheim 6,91 m weit und schraubte ihre bisherige Bestleistung 21 Zentimeter nach oben. Ein Sprung in die absolute Weltspitze, mit gerade einmal 20 Jahren. Nur vier Frauen konnten 2023 bislang weltweit weiter springen. Assani konnte erst gar nicht richtig einschätzen, was ihr da in Weinheim gelungen war. „Das habe ich gar nicht gecheckt. Als ich die Weite dann gesehen habe, bin ich ausgerastet und war einfach nur glücklich.“ In den letzten Jahren hatte die Athletin häufig mit Fußproblemen zu kämpfen, musste sogar ein Jahr pausieren. All das kam im Moment des Glücks wieder hoch: „Das war einfach überwältigend.“

Schon in der Grundschule merkte Assani, dass sie schnell laufen und weit springen kann. Ihr Deutsch- und Sportlehrer sagte, dass sie sich bei der Leichtathletik anmelden soll, ansonsten gebe es eine schlechte Note in Deutsch. Natürlich mit einem Augenzwinkern.

Bei den European Championchips vergangenes Jahr war die Karlsruherin mit kamerunischen Wurzeln die jüngste Sportlerin im deutschen Leichtathletik-Aufgebot. Spätestens seit diesem Jahr nimmt sie es auch mit der Weltelite auf. Dafür ist ein Umdenken notwendig. „Das ist ein neues Gefühl, da oben zu sein. Bei den Highlight-Wettkämpfen hieß es immer: Du musst die Großen ärgern. Jetzt gehöre ich irgendwie auch zu den Großen.“

Mit der dominierenden Weitspringerin der letzten Jahre Malaika Mihambo und Maryse Luzolo profitiert Assani auch von einem starken deutschen Team. Beide versicherten ihr immer wieder, dass sie sich keine Gedanken machen brauche und sich das Potenzial mit der Zeit immer mehr entfaltet. „Von einer Topathletin wie Malaika kannst du sehr viel lernen, was mentale Stärke angeht“, sagt Assani: „Wir haben eine hohe Qualität in unserem Team. Da will man natürlich auch zeigen, dass man mithalten kann. Wir pushen uns gegenseitig, das bringt mir extrem viel.“

Das Messbare an der Leichtathletik mag Assani. Es geht nicht um Schönheit, sondern um Zeiten und Weiten. Der perfekte Sprung existiert eigentlich nicht, die Technik kann immer noch verbessert werden: „Der Prozess ist eigentlich nie abgeschlossen. Ab einem gewissen Niveau wird es natürlich schwieriger, sich weiter zu verbessern – aber irgendeine Stellschraube findet man immer.“

Assani studiert Bio-Ingenieurwesen: Kein Zuckerschlecken neben dem Sport, wie sie sagt. In ihrem Kalender hat sie ein Farbsystem, damit sie immer weiß, wann sie wo sein muss. Aber der Sport und die Umwelt, das sind zwei Herzensthemen. „Ich war schon vier mal in Kamerun und weiß durch die Zeit in Afrika auch, wie es ist, wenn es beispielsweise kein Trennverfahren gibt und die Umwelt teilweise mit Füßen getreten wird“. Auch Teile ihrer Familie leben in Afrika unter solchen Rahmenbedingungen, die „nicht gesund sein können“.

Nächste Woche tritt Assani bei den Deutschen Meisterschaften an, eine Nominierung für die Weltmeisterschaft in Budapest im Sommer ist sehr wahrscheinlich. Und auch die ganz große Bühne, Olympia 2024 in Paris, schwirrt schon ein wenig im Hinterkopf. Erst recht nach dem Sprung auf 6,91 Meter. „Ich schaue, wie die Saison läuft und wie gut mein Fuß hält. Wenn es so läuft wie bislang, sollte die Qualifikation für Paris aber kein Problem sein. Hoffentlich“, lacht Assani.

Gut gestylt wäre sie auf jeden Fall wieder. Zu ihrem Markenzeichen gehört, dass sie bei den Wettkämpfen immer mit einer neuen Frisur antritt. Praktisch, wenn die eigene Mama Friseurin ist. Sie sei schon gefragt worden, warum sie sich vor Wettkämpfen denn schminke, es gehe ja schließlich um Sport. „Für mich gehört das dazu, dass ich mich wohl in meiner Haut fühle und mich vielleicht noch mal selbstbewusster gebe“, sagt Assani: „Eine neue Frisur von meiner Mama gibt schon noch mal einen Push.“

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