Sevilla – Rückblickend betrachtet grenzt das Saisonfinale des FC Sevilla an ein Wunder. Nach zwei Trainerwechseln befand sich der Klub aus dem südspanischen Andalusien im Frühjahr mitten im Abstiegskampf – bis der kauzig anmutende und international bis dahin unerfahrene Trainer José Luis Mendilibar das Ruder übernahm, den Klassenerhalt eintütete und die Sevillistas obendrein noch zum siebten Europa-League-Titel führte. Inklusive Champions League, wo Sevilla in der Gruppenphase ausschied, standen am Ende satte 33,5 Millionen Euro an UEFA-Prämien zu Buche, die die Spanier wohl vor dem kompletten Ruin bewahrt haben.
Trotzdem, so hat es Radio Marca enthüllt: Um die Finanzen im Estadio Ramón Sánchez-Pizjuán ist es dieser Tage nicht gut bestellt. Rund 90 Millionen Euro Schulden wurden angehäuft, weshalb nun der gesamte Kader zum Verkauf steht. Ganz egal, ob jung oder alt, Stammspieler oder Reservist, Leistungsträger oder Mitläufer – flattert ein gutes Angebot ins Haus, wird verkauft. Wie unsere Zeitung erfuhr, sind neben dem Einnahmeloch während der Pandemie vor allem die (zu) optimistischen Budgetierungen der vergangenen Jahre schuld am Schlamassel.
Man stattete Spieler mit satten Gehältern aus und kalkulierte in den Etats ein, diese durch das regelmäßige Erreichen der K.o.-Phase in der Königsklasse zu refinanzieren. Nur: In den vergangenen drei Anläufen gelang das lediglich einmal (Saison 20/21). Hinzu kommen Versäumnisse auf einem Gebiet, das den Club (und seinen vor Wochen geschassten Sportdirektor Monchi) stets ausgezeichnet hat. Früher wurde billig ein- und teuer verkauft (Dani Alves, Jules Koundé, Wissam Ben Yedder), nun muss in einem überbezahlten und mit langen Vertragszeiten ausgestatteten Kader ausgemistet werden. Zu Beginn der aktuellen Transferperiode stehen insgesamt 35 Spieler im Aufgebot!
Auch der FC Bayern hat seinen Teil dazu beigetragen: Vergangenen Sommer verscherbelten die Münchner den zuvor ablösefrei verpflichteten und höchst verletzungsanfälligen Tanguy Nianzou für 16 Millionen Euro nach Sevilla, wo der damals 20 Jahre alte Franzose prompt mit einem Arbeitspapier bis 2027 ausgestattet wurde. Nun heißt es: Ballast abwerfen! Mittels Leihen soll Platz im Gehaltsgefüge geschaffen werden, Stars wie der marokkanische Nationaltorwart Bono, Knipser Youssef En-Nesyri oder der argentinische Weltmeister Marcos Acuña werden ebenfalls zur Tür gebeten, wenn das Geld stimmt. Dass viele von ihnen diese aufgrund ihrer üppigen Bezüge nicht durchschreiten wollen, ist eine der großen Herausforderungen des neuen Sportdirektors Victor Orta. JOSÉ CARLOS MENZEL LÓPEZ