Die Tour ist und bleibt die Tour. Zu keiner Zeit im jährlichen Radsportkalender ist die Aufmerksamkeit für die Velo-Fahrer größer als während der drei Wochen quer durch Frankreich. Und nach dem frühen sportlichen Amuse-Gueule im Giganten-Duell Pogacar gegen Vingegaard hat die Rundfahrt auch ihre ersten Nebenkriegsschauplätze, die nicht direkt auf den Straßen liegen. Diskutiert werden zwei verschiedene Dinge: Doping und die Einflussnahme Saudi-Arabiens. Themen, die besonders in Deutschland kritisch gesehen werden.
In anderen europäischen Ländern hat man sich längst von der Kritik an der dunklen EPO- und Spritzen-Vergangenheit gelöst, und die nationalen Aushängeschilder haben ähnlichen Heldenstatus wie früher Armstrong, Ullrich oder Pantani. Nicht so bei der ARD beziehungsweise deren Dopingjäger Hajo Seppelt. Der hinterfragte – wie es sein Beruf ist – in einem neunminütigen Beitrag mögliche aktuelle Dopingverstrickungen, besonders im Team Bahrain-Victorious, das vom – zumindest undurchsichtigen – Slowenen Milan Erzen geführt wird. Sehr zum Ärger von Topsprinter Phil Bauhaus, der sich zu Unrecht in ein schlechtes Licht gerückt sieht und vor allem den Zeitpunkt kritisiert. Dabei ist es ganz einfach: Klar bekommen Bauhaus‘ Erfolge jetzt die größte Aufmerksamkeit. Gleiches gilt aber auch für Seppelts Beitrag. Deutschlands Sprint-Hoffnung steht – das ist wichtig – in keinerlei Verdacht. Aber der Radsport muss sich solche Fragen mit Blick auf seine Vergangenheit und aktuelle Dopingfälle auch gefallen lassen.
Die Zukunft bringt eine ganz andere Herausforderung mit sich: die Öl-Millionen aus Saudi-Arabien. Wie nun durchsickerte, soll eine Übernahme des Topteams Jumbo-Visma (u. a. Vingegaard und Van Aert) im Raum stehen. Die Hoffnung, dass sich der Radsport dieser Einflussnahme verschließt, geht gegen null, weil sich die Mannschaften ohne Sponsoren nicht tragen und auf Rad-Enthusiasten angewiesen sind. Den Saudis geht es freilich mehr ums Image und weniger um die Rad-Begeisterung. Dass selbst Ralph Denk, Teamchef des Raublinger Rennstalls Bora-hansgrohe, das Geld des Königreichs nehmen würde, spricht Bände. Ihm schwebt zumindest eine Art 50+1-Regel wie im Fußball vor. Aber ob das der Weltverband und alle anderen Teams wollen? Unwahrscheinlich . . .
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