Alle Macht für Dreesen

von Redaktion

Bayerns CEO gilt am Verhandlungstisch als starker Mann – mit Unterstützung von allen Seiten

VON HANNA RAIF, PHILIPP KESSLER UND MANUEL BONKE

München – Den Moment mit der Mappe wird Jan-Christian Dreesen nie vergessen. Im August 2014 war es, da stand der damalige Finanzvorstand und heutige CEO des FC Bayern im Behandlungsraum 1 der stilvoll eingerichteten Praxis von Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt und war im Stress. Für den herrlichen Blick auf den Münchner Marienhof hatte er weder Zeit noch Nerven, denn sein Fokus galt dem Mann, der auf der Liege lag. Also: Xabi Alonso, dem damaligen Last-Minute-Stareinkauf des Rekordmeisters, der parallel zum obligatorischen Medizincheck von Dreesen zur Vertragsunterschrift gebeten wurde.

Als „unglaublich spannend“ bezeichnete Dreesen zuletzt im Vereinsmagazin 51 diesen Deal, in dem er, damals noch nicht allzu lange im Job, die treibende Kraft gewesen war. Er selbst war zu den Verhandlungen nach Spanien gereist, die Entscheidung für einen Transfer fiel dann nachts um halb zwei. Normale Vorgänge in heißen Phasen auf diesem Markt, auf dem so viel ein Poker-Spiel ist und immer alles passieren kann. Das merkt Dreesen auch dieser Tage, in der er erstmals in einer Transferperiode an der Spitze dieses Vereins steht. Und, so erfuhr unsere Zeitung, ganz bewusst von seinen Kollegen in der Taskforce als Verhandlungspartner Nummer eins angesehen und gepusht wird.

Ein persönliches Treffen der starken Männer-Runde stand in dieser Woche nicht an. Wenn Dreesen und Co. aber am kommenden Dienstag wieder zusammenkommen, gibt es trotzdem viel zu berichten. Die Gespräche im Hintergrund laufen auf Hochtouren. Alle mischen mit, aber am Ende geht alles über den neuen starken Mann beim FC Bayern. Vollkommener Quatsch, so hört man aus dem Umfeld der Säbener Straße, seien die Gerüchte, dass Karl-Heinz Rummenigge bei der Realisierung des Wunschtransfers von Harry Kane das Ruder übernommen habe. Vielmehr sieht man den Deal als Gemeinschaftsprojekt, bündelt die Kompetenzen – und will im Kollektiv alles dafür geben, Tottenham von einem Verkauf zu überzeugen.

Die Taskforce ist dabei eng verzahnt, hat aber eine klare Rollenverteilung. Das Verhältnis zwischen den beiden Aufsichtsräten Rummenigge und Uli Hoeneß und Dreesen hat sich in jahrelanger Zusammenarbeit etabliert, es ist nicht nur gut, sondern eng und vertrauensvoll, geprägt von Tipps, Erfahrungen und vielen Gesprächen. Bei wichtigen Entscheidungen gilt das Sechs-Augen-Prinzip, hinzu kommt die geschätzte Kompetenz der beiden Fachmänner Michael Diederich und Marco Neppe. Während Dreesens Nachfolger als Finanzvorstand stets den Blick auf die Bilanz hat, ist Neppe als technischer Direktor stark in die Verhandlungen eingebunden. Sehr gut eingespielt, so heißt es, sind Dreesen und der 37-Jährige inzwischen. Allerdings hält sich das Wort „noch“ hartnäckig in den Aussagen über Neppe. Ein baldiger Abschied des Mannes, der enorm viel wichtige Vorarbeit leistet, ist nicht ausgeschlossen.

Aktuell ist er noch mittendrin – natürlich auch im Fall Kane, in dem sich die Zuversicht für einen zügigen Abschluss trotz des neuen Angebots aus Tottenham hält. Der Tenor: Es sieht ähnlich aus wie bei Robert Lewandowski im Vorjahr, den der FC Bayern nicht ablösefrei verlieren wollte und daher ziehen ließ. Auf der Insel buhlt man auch weiterhin um Thomas Tuchels Liebling Kyle Walker – dem Dreesen lieber heute als morgen die Mappe mit dem Vertrag an die Medizin-Liege bringen würde.

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