Es war ein Besuch mit Aussagekraft. Trotz der schweren Krawalle im Land reiste Staatschef Präsident Emmanuel Macron zur sechsten Etappe der Tour de France und fuhr ein Stück der Strecke im Begleitauto mit Tour-Direktor Christian Prudhomme. Für einen französischen Präsidenten ist das Pflichtprogramm, auch in Zeiten der Krise. Zu wichtig ist das bedeutsamste Radrennen als inoffizielles Nationalheiligtum in Frankreich.
Der Mythos Tour lebt – und zum Spektakel in diesem Jahr trägt auch Bora-hansgrohe bei. Nach den ersten Tagen hatten sich einige Fans und Experten noch gefragt, was die verhaltene Taktik des Raublinger Rennstalls soll, der mit dem Australier Jai Hindley Ambitionen hat, in Paris vor dem Arc de Triomphe auf dem Podium zu stehen. Doch Bora ist bekannt dafür, das Rennen gut lesen zu können, um dann im richtigen Moment für die Überraschung zu sorgen. So war es letztes Jahr beim Giro d´Italia, als Lennard Kämna aus der Fluchtgruppe heraus, Hindley zur entscheidenden Attacke auf dem Weg zum Passo Fedaia verhalf.
Und so war es auch am Mittwoch, als Bora die Favoriten überrumpelte und ein bärenstarker Buchmann treue Helferdienste leistete, ehe Hindley im Alleingang zum Etappensieg und ins Gelbe Trikot fuhr. Es war ein Paukenschlag in den Pyrenäen. „Das ist unglaublich. Es war überhaupt nicht der Plan und plötzlich haben wir einen Etappensieg und das Gelbe Trikot. Das ist verrückt“, sagte der deutsche Meister Buchmann, der sich in den letzten Jahren immer Kritik anhören musste – und die ständigen Nachfragen, wann er denn mal wieder die Form von 2019 (Vierter Platz bei der Tour) erreiche. Doch Bora-Teamchef Ralph Denk verteidigte den 30-Jährigen immer wieder, vertraute seinen Fähigkeiten. Und das Vertrauen zahlt sich aus.
Und ja, gestern haben die Überflieger Jonas Vingegaard und Tadej Pogacar die Show (und das Gelbe Trikot) wieder übernommen, Hindley musste abreißen lassen – daher gibt es nun wieder einen Zweikampf um den Toursieg. Bora-Sportdirektor Rolf Aldag kündigte vorab an: „Es kann keine schlechte Tourmehr werden. Egal, was noch passiert.“ Der Erfolg in den Pyrenäen hat gezeigt, dass mit Bora immer zu rechnen ist. Und ohne den Druck des Gelben Trikots darf man schon auf die nächste (überraschende) Attacke gespannt sein.
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