2023 ist so ein Jahr, in dem einem die Jubiläen gar nicht auffallen. Weil es ein ungerades Jahr ist und die monumentalen Ereignisse (wie Olympische Spiele, Fußball-Welt- und Europameisterschaften, die Gerüst unseres Gedächtnisses sind) immer in geraden stattfinden. Dennoch jährt sich 2023 was: Die Fußball-Bundesliga wurde 1963 gestartet, sie wird 60. Sie ist jetzt ein Silver-Ager, ein Mann, bei dem es zwickt, dessen Selbstwahrnehmung jedoch ist, sich in den besten Jahren zu befinden.
Nun denn. Was man sagen kann, ist, dass die Bundesliga ein anerkennenswertes großes Publikum findet. Dafür, dass die Spannung in der Meisterfrage, eigentlich ein zentrales Element für die Attraktivität, seit über zehn Jahren zum Erliegen gekommen ist, sind die wirtschaftlichen Daten okay. In der vergangenen Saison betrug der Zuschauerschnitt 43 000, damit ist die Bundesliga weltweit Nummer eins. Sie setzt das in ihren Medienerlösen, vor allem der Auslandsvermarktung, nicht ganz um, dennoch ist sie ein stabiler Geschäftsbetrieb. Sie erlebt Phasen, in denen der Ärger – etwa über den VAR – überwiegt, doch dann fesselt sie das Land mit Geschichten wie denen vom Aus-dem-Nichts-Trainerwechsel und der merkwürdig terminierten Kahn-Entlassung beim FC Bayern. Nur: Solches Entertainment ist selten geworden.
Zum 60-Jährigen der Bundesliga tauchen wir in den kommenden Tagen in einer Serie ein in ihre Geschichte und stellen wehmütig fest: Früher hatte sie etwas mehr Unberechenbarkeit. Es konnte passieren, dass ein Meister abstieg (1969 der 1. FC Nürnberg) und ein Aufsteiger Meister wurde (1998 Kaiserslautern – da hatten wir Jubiläum, das 25-jährige). Ein Club in Abstiegsnot verpflichtete als Trainer einen Leichtathletik-Olympiasieger (Details verraten wir nicht – dranbleiben, liebe Leserinnen und Leser), man stritt über die Statthaftigkeit von Werbung, und Spieler fanden kreative Möglichkeiten, ihr Salär aufzustocken. Die Neigung zum Experiment ist dem Profifußball leider verloren gegangen.
Eine Konstante über 60 Jahre sind die Ängste, ob der Fußball nicht überdreht. 1963 erschien manchen ein festes Gehalt von 1200 Mark so unanständig wie jetzt ein 20-Millionen-Salär, und der erste Transfer für eine Million DM so irrsinnig wie der demnächst sicher folgende 100-Millionenkauf. Die Bundesliga schafft es, im Gespräch zu sein – und das ist eine Leistung.
Guenter.Klein@ovb.net