Ski, Gucci-Tasche – und jubelnde Karotten

von Redaktion

Wimbledon-Halbfinalist Jannik Sinner aus Südtirol hat ein paar Eigenheiten zu bieten

Wimbledon – Die „Carota Boys“ waren auch wieder da, selbstverständlich. Die Burschen in den Karotten-Kostümen sind eine Attraktion bei Partien von Jannik Sinner. Ihr Vorkoster aber spielt jetzt auf den Hauptplätzen im All England Club von Wimbledon, und dorthin haben sie es nicht mehr geschafft. Egal, fiebern sie eben daheim vor dem Fernseher mit. In voller Montur, versteht sich.

Einen zweiten Blickfang bei Spielen von Sinner gibt es ja auch noch. Wo andere unförmige und wuchtige Schlägertaschen auf oder neben den Stuhl fallen lassen, stellt der junge Mann aus Südtirol eine edle „Duffle Bag“ aus dem Hause Gucci ab. Nicht zuletzt die Etikette-Wächter des Clubs mussten das erst genehmigen.

Viel wichtiger und sehr ansehnlich aber ist vor allem, wie Sinner in Wimbledon Tennis spielt. Am Freitag steht er zum ersten Mal in seiner Karriere bei einem der vier Grand Slams im Halbfinale – die Aussicht aufs Endspiel aber scheint eher gering: Gegner ist Novak Djokovic, vier Mal in Serie Turniersieger.

Vielleicht hätte sich Sinner doch für den Skirennsport entscheiden sollen. Er stammt aus der Autonomen Provinz Bozen, aus Sexten, also von dort, wo die Kinder doch eher mit zwei Brettern an den Füßen aufwachsen als mit einem Schläger in der Hand. Sinner spielte auch Fußball, aber besonders gut war er als Skirennläufer.

Bei den italienischen Meisterschaften 2008 gewann Sinner in seiner Altersklasse den Riesenslalom, 2012 wurde er Zweiter. Optimale Vorzeichen: Wer als Südtiroler herausragend gut Ski fährt, darf davon ausgehen, auch international Karriere zu machen. Sinner sagt, er sei im Schnee besser gewesen als auf roter Asche.

Andere aber sahen in ihm bereits einen Tennisspieler mit dem Potenzial für eine Weltkarriere. Als Sinner 13 war, sollte er sich entscheiden. Er wählte Tennis. Warum, das weiß er selbst nicht mehr so genau, die Entscheidung war so verkehrt aber nicht. Seine früheren und heutigen Trainer sagen: Der Junge lernt schnell.

In der Tat: Im Februar 2018 tauchte Sinner als damals 16-Jähriger erstmals in der Weltrangliste auf, Rang 1592. Im April dieses Jahres knackte er die Top Ten. Sinner gilt als diszipliniert, als fokussiert, Trainer Simone Vagnozzi behauptet: „Er ist bereit, einen Grand Slam zu gewinnen.“

Sinner ist auch jederzeit heiß darauf, auf die Skipiste zu gehen, wenn es die Zeit erlaubt, mit den Kumpels aus Südtirol. Oder mit Lindsey Vonn, der Abfahrts-Olympiasiegerin von 2010. Mit der US-Amerikanerin, die er bei einer PR-Veranstaltung kennengelernt hatte, carvte er am Kronplatz (Bruneck) schon zu Tal – beide hatten dabei riesigen Spaß.

Sein erster Tennis-Coach Heribert Mayr sagt über Sinner, dieser habe die Mentalität eines Jungen aus den Bergen: „Das Skifahren hat ihn hart gemacht.“

Bliebe noch zu klären, was es mit der Tasche und den Karotten auf sich hat. Mit den Guccis hat Sinner einen Vertrag, „ich kenne die Familie sehr gut“. Und die „Carota Boys“ gründeten sich nach dem Turnier in Wien 2019. Sinner hatte dort Hunger bekommen, bat seinen Coach, etwas zu essen aufzutreiben. Er brachte ein Karotte.  sid

Artikel 1 von 11