Spion Alcaraz und der besondere Mix

von Redaktion

Der Spanier ist auch so gut, weil er sich von den Kollegen das Beste abschaut

Wimbledon – Novak Djokovic war not amused. Beim Training im Aorangi Park, dessen 18 Courts sich in Terrassenform an den All England Club schmiegen, ist er es ja gewohnt, von jedem beobachtet zu werden. Jetzt aber, da es um seine Vormachtstellung in Wimbledon und darüber hinaus geht, da wurde es ihm zu bunt. Beim serbischen Nachrichten-Portal B92 regte er sich darüber auf, dass Vater Alcaraz ihn sogar gefilmt habe.

„Jeder“, lamentierte Djokovic, „schaut dir hier über die Schulter“, jeder wolle sehen, was er tue, woran er arbeite. Die Erregung des Grand-Slam-Rekordchampions, der in Wimbledon seinen fünften Titel in Serie und den achten insgesamt gewinnen will, überrascht dennoch – schließlich ist der Aorangi Park keine Sperrzone. Eher scheint es, als sei die Aufregung über „Spygate“ (Daily Telegraph) Hinweis auf wachsende Nervosität bei Djokovic.

Carlos Alcaraz junior (20) bestritt die selbstverständlich keineswegs verbotene Spionage von Alcaraz senior auch gar nicht, mit jugendlich-naivem Charme entgegnete er: Sein Vater sei ein Tennis-Fan, der von 10 Uhr morgens bis 11 Uhr abends im All England Club sei, und dabei schaue er „von jedem“ das Training an. „Wenn er die Gelegenheit hatte, Djokovic live zu sehen, hat er ihn wahrscheinlich auch gefilmt“, sagte der Junior.

Die ganze Aufregung mochte Alcaraz vor dem Halbfinale am Freitag sowieso nicht verstehen: Er spielt gegen Daniil Medwedew, Gegner von Djokovic ist Jannik Sinner. Davon abgesehen: Wenn er sich etwas abschauen wolle bei Djokovic: „Im Internet gibt es genug Videos.“ Und die, das hat Alcaraz längst zugegeben, hat er schon ausgiebig studiert. Anregungen für das Spiel auf Rasen suchte er darüber hinaus bei Roger Federer und Andy Murray.

Und Alcaraz setzt das, was ihm gut und wichtig erscheint, hervorragend um. In Wimbledon wirkt er wie ein Hybrid aus dem Besten, was die Vorbilder hergeben. Da blitzen auf: die Finesse von Federer, die Wucht und der Kampfgeist von Rafael Nadal – und die taktische Flexibilität verbunden mit der mentalen Stärke von Djokovic. In keinem Bereich ist Alcaraz so gut wie das Original, aber die Mischung machts.

„Ich habe nicht erwartet, auf diesem Belag auf so einem großartigen Niveau zu spielen“, sagte Alcaraz nach seinem Sieg im Halbfinale über den Dänen Holger Rune. In der Tat ist es bemerkenswert: Der 20 Jahre alte Spanier spielt erst sein viertes Turnier auf Rasen. Zweimal war er schon in Wimbledon, diesmal schob er vor den All England Championships noch den Auftritt im Londoner Queen’s Club ein – und gewann dort.

Alcaraz hat bereits bei den US Open 2022 triumphiert, ist aktuell die Nummer eins der Tennis-Weltrangliste, lernt – für die Konkurrenten – beängstigend schnell dazu. Und ist nun er der jüngste Halbfinalist in Wimbledon seit 2007.

Seit einem gewissen Novak Djokovic.  sid

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