von Redaktion

VON GÜNTER KLEIN

Im Tor: Tomislav Piplica aus Bosnien-Herzegowina. Die Abwehrkette bildeten: Rudi Vata (Albanien), Faruk Hajdarovic (Bosnien), Janos Matyus (Ungarn). Im Mittelfeld spielten: Moussa Latoundij aus Benin, Bruno Akrapovic (Bosnien), Laurentiu Reghecampf (Rumänien) und Vasile Miriuta, der Ungar und Rumäne war, Andrzej Kobylanski (Polen). Vorne im Sturm: Anton Labak (Kroatien), Franklin (Brasilien). Es gab dann noch drei Wechsel im Verlauf des Spiels, herein kamen: Sabin Ilie, ein Rumäne, der Schwede Jonny Rödlund und der Pole Witold Wawrzyczek.

Das war die Aufstellung am 28. Spieltag der Saison 2000/01, als Energie Cottbus den VfL Wolfsburg empfing. Wegen des mediokren 0:0 ging die Partie nicht in die Geschichte der Bundesliga ein. Historisch war: Erstmals bestand eine Mannschaft ausschließlich aus ausländischen Spielern. Die nicht-deutsche Startelf war schon ein Rekord, auf den Trainer Eduard Geyer dann noch drei weitere Akteure draufsetzte, die nicht aus Deutschland stammten.

Ein Szenario, das in der Bundesliga über drei Jahrzehnte undenkbar war. Zunächst beschäftigten die meisten Vereine nur deutsche Spieler, in den 70er-Jahren gönnten sie sich zwei. Borussia Mönchengladbach hatte seine legendären Dänen (Alan Simonsen, Ulrik Lefevre), Kaiserslautern sein Schweden-Duo (Ronnie Hellström, Roland Sandberg), der Hamburger SV gönnte sich Kevin Keegan, die „Mighty Mouse“ aus England. Der deutsche Fußball fühlte sich stark genug, seinen Bedarf aus eigenen Quellen decken zu können. Es gab keine nennenswerten Bestrebungen seitens der Vereine, den DFB zu veranlassen, die Kontingente zu erhöhen.

Doch die Zeiten änderten sich – durch einen zunächst kaum bemerkten Gerichtsprozess, den der belgische Durchschnittsprofi Jean-Marc Bosman führte, dessen Vertrag ausgelaufen war, der aber trotzdem eine Ablösesumme kosten sollte, als er wechseln wollte. Weil ihn das bei der Ausübung seines Berufs einschränkte, klagte er – und gewann. Der Europäische Gerichtshof kassierte auch alle Reglements ein, die die freie Wahl des Arbeitsplatzes innerhalb der Europäischen Union beeinträchtigten. Das war das Ende der Ausländerbeschränkung im Profisport. Limitiert blieb nur die Zahl der Nicht-EU-Spieler – doch selbst das war keine Hürde mehr: Südamerikanische Spieler, die nach Deutschland wollten, besorgten sich spanische, portugiesische, italienische Zweitstaatsbürgerschaften.

Der Spielermarkt war ab 1996/97 international. So zog es Fachkräfte aus anderen europäischen Ländern in die solide deutsche Bundesliga mit guten Verdienstmöglichkeiten. Ein Club wie Energie Cottbus war auf solche Spieler angewiesen. Der Stadt sah man zehn Jahre nach der Wende die DDR-Vergangenheit an, die Region war nicht gerade wirtschaftsstark. „Cottbus hat sicher einen Standortnachteil und nicht die finanziellen Mittel, um deutsche Spieler zu sich zu holen, zeigte Wolfgang Wolf Verständnis. Er war Trainer des VfL Wolfsburg, der sich an der kampfstarken Energie-Truppe abarbeitete. Ede Geyer pflichtete bei: „Warum soll einer zu uns kommen, wenn er ein Angebot aus Berlin oder Hamburg hat?“

Geyer fand grundsätzlich, „dass deutsche Spieler sich zu wenig den Arsch aufreißen“ und Kampf um die Arbeitsplätze ihrer Entwicklung nur dienlich sein könnte. Er hatte zwölf Deutsche im Kader in Cottbus, doch keiner machte mehr als 20 Saisonspiele; potenziellen Stammkraft-Status gestand Geyer lediglich dreien zu – und die waren am historischen 28. Spieltag verletzt.

Unter dem Eindruck der EM 2000, bei der die deutsche Nationalmannschaft mit einem Tor in drei Spielen ausgeschieden war, flammten Diskussionen auf über das Konzept des Ost-Clubs. Doch der Energie-Anhang liebte seine Mannschaft: Viele Spieler blieben lange, Torwart Tomislav Piplica erlangte trotz sportlicher Schwächen Kultstatus in der Lausitz, Gleiches galt für Vasile Miriuta, der bundesweit berühmt war, weil der Boulevard ihn „Die Tor-Glatze“ nannte. Es wurde um Energie herum eine Wagenmentalität aufgebaut, das „Stadion der Freundschaft“ war für Gäste-Teams ein unwirtlicher Ort. Sogar der FC Bayern verlor dort.

Mittlerweile gibt es wieder straffere Regeln, wie der Kader eines Bundesligisten besetzt sein soll, es wird auch honoriert, wenn man selber ausgebildete Spieler einsetzt. Trotzdem: Dass eine Mannschaft mit acht, neun Nicht-Deutschen aufläuft, kommt oft vor. Auch die Elf von Cottbus blieben keine einmalige Konstellation.

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