Saint-Gervais Mont-Blanc – Die Unzertrennlichen der 110. Tour de France hatten auch am wohlverdienten Ruhetag die gleichen Pläne. Jonas Vingegaard genoss unbeschwerte Momente mit Töchterchen Frida und Ehefrau Trine, Tadej Pogacar nahm sich mit seiner Familie und Lebensgefährtin Urska Zigart eine Auszeit im Hotel – dann brachen die Hauptdarsteller dieser so turbulenten Frankreich-Rundfahrt zum selben Ziel auf.
Am Montag fuhren Titelverteidiger Vingegaard und sein Herausforderer Pogacar die Strecke des kommenden Bergzeitfahrens nach Combloux ab. Jeder für sich, wohlgemerkt, was zuletzt ein seltenes Bild geworden ist.
Vor allem der Cote de Domancy, einem vergleichsweise kurzen, aber steilen Anstieg vor dem Ziel, galt das Interesse. Nichts überlassen die Top-Favoriten auf den Gewinn des Gelben Trikots dem Zufall. Am Dienstag steht im 22,4 km langen Kampf gegen die Uhr zu viel auf dem Spiel. „Ich denke, dass es beim Zeitfahren einige Lücken geben wird“, sagte Pogacar. Nach einer langen Patt-Situation dürfte das Rennen in einer der vorentscheidenden Etappen eine neue Dynamik entwickeln.
Vingegaard und Pogacar fahren bei der Tour in einer eigenen Welt, ihr Duell auf Augenhöhe elektrisiert, am Sonntag erreichten sie nach einem erneuten Zweikampf Schulter an Schulter die Bergankunft am Fuße des Mont Blanc. Seit den Pyrenäen in der ersten Tour-Woche hat Vingegaard als Gesamtführender nicht mehr als 25 Sekunden Vorsprung. Mit beherzten Attacken hat Pogacar den Rückstand seither auf zehn Sekunden verkürzt. Abhängen konnte er den Champion aus Dänemark in den Alpen aber nicht mehr.
Das könnte sich im Fernduell ändern. Ihm gefalle die Strecke des Zeitfahrens, sagte der Tour-Sieger von 2020 und 2021, „sie liegt mir sehr gut.“ Auch Vingegaard versicherte: „Ich mag solche kurzen Zeitfahren mit vielen Rhythmuswechseln.“ Ein Favorit lässt sich schwer ausmachen. Pogacar dominierte vor der Tour das Zeitfahren der slowenischen Meisterschaften. Vingegaard überzeugte mit einem zweiten Platz beim Kampf gegen die Uhr der Dauphine. Pogacars größter Vorteil, seine größere Explosivität, ist im Zeitfahren aber weniger entscheidend. Auf der Königsetappe nach Courchevel am Mittwoch, wenn mit dem Col de la Loze einer der „härtesten Anstiege der Welt“ (Pogacar) ansteht, ist das wieder anders. Erneute Topleistungen der Ausnahmeathleten sind an beiden Tagen zu erwarten. sid