Pogacar: Ratlos nach dem Einbruch

von Redaktion

Der Slowene muss sich fragen: Ist Vingegaard in den nächsten Jahren überhaupt zu schlagen?

Moutiers – Als Tadej Pogacar am Donnerstag zum Start der 18. Tour-Etappe in Moutiers rollte, wirkte sein gewohntes Lächeln doch arg gezwungen. Der Schock steckte dem entzauberten slowenischen Wunderkind nach dem Drama vom Vortag noch immer tief in den Knochen. „Das war einer meiner schlimmsten Tage auf dem Rad“, hatte Pogacar im Ziel gesagt und damit seinen kapitalen Einbruch am Col de la Loze auf den Punkt gebracht.

„Ich habe versucht, zu essen. Aber alles, was ich zu mir genommen habe, ist im Magen geblieben und nichts kam in meinen Beinen an“, führte Pogacar mit leerem Blick aus: Er sei „einfach nur am Ende, tot“.

Was vor Beginn der dritten Tour-Woche noch ein epischer Sekundenkrimi mit dem nun designierten Gesamtsieger Jonas Vingegaard war, hat sich urplötzlich zur glasklaren Angelegenheit entwickelt. Insgesamt über sieben Minuten auf seinen Rivalen verlor Pogacar beim denkwürdigen Zeitfahren am Dienstag und auf der Königsetappe am Folgetag, als er völlig entkräftet und in Schlangenlinien das Ziel erreichte.

Wie schon im vergangenen Jahr musste Pogacar nach einem Aussetzer in den Alpen alle Hoffnungen auf den dritten Tour-Sieg begraben. Während Vingegaard nun gemütlich in Richtung Titelverteidigung nach Paris rollt, beginnt beim zweifachen Sieger die Ursachenforschung für den Einbruch.

War es der Sturz zu Beginn der Etappe? „Es tut nicht so sehr weh, ich weiß nicht, wie es meinen Körper beeinflusst hat“, sagte Pogacar achselzuckend. Die Herpes-Infektion, die sich an seiner Lippe zeigte? Gut möglich durch den Einfluss der Erkrankung auf das Immunsystem. Der Kopf? Nach der krachenden Niederlage im Zeitfahren gegen den übermenschlich erscheinenden Vingegaard durchaus denkbar.

Im Endeffekt lässt sich über die Gründe nur spekulieren – die schlechte Nachricht für Pogacar im Hinblick auf die nächsten Jahre aber ist: Selbst ohne den Einbruch am Mittwoch hätte er wohl zum zweiten Mal in Folge in Vingegaard seinen Meister gefunden. Dessen unglaubliche Leistung im Zeitfahren und seine Konstanz im Hochgebirge sollten Pogacars UAE Team Emirates zu denken geben.

Fest steht: Der 24-Jährige muss etwas ändern, wenn er Vingegaard in den kommenden Jahren schlagen will. Ein Strategiewechsel in der langfristigen Saisonplanung könnte dabei ein Ansatz sein. Pogacar präsentierte sich in diesem Jahr in fantastischer Frühform: Er sorgte bei den Klassikern für Furore und triumphierte unter anderem bei der Flandern-Rundfahrt, ehe ihm die intensiven Eintagesrennen zum Verhängnis wurden.

Bei Lüttich-Bastogne-Lüttich brach sich Pogacar das Kahnbein der linken Hand, die Tourvorbereitung wurde empfindlich gestört. In den ersten beiden Wochen war davon nichts zu sehen, gegen Ende der Rundfahrt aber geht Pogacar offenbar komplett die Luft aus. Vingegaard startete das Radsportjahr dagegen deutlich kontrollierter – und präsentiert sich zum Saisonhöhepunkt in absoluter Topform.

Für Pogacar heißt es daher nun, kleinere Brötchen zu backen. Die Zeit der Kampfansagen ist vorbei, die Ziele sind bescheidener geworden. „Wir kämpfen jetzt noch um einen Sieg auf der 20. Etappe“, sagte er leicht desillusioniert: „Und wenn wir das Podium sichern, ist das ein guter Abschluss.“

Derweil gingen am Donnerstag die dänischen Festspiele weiter. Kasper Asgreen setzte sich auf der 18. Etappe im Sprint einer vierköpfigen Ausreißergruppe in Bourg-en-Bresse vor Pascal Eenkhoorn (Lotto-Dstny) und Jonas Abrahamsen (Uno-X) durch.Das Hauptfeld reagierte zu spät und folgte wenige Sekunden nach dem Spitzen-Trio.  sid

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