Wyong – Joti Chatzialexiou hat im Basecamp von Wyong das Erdgeschoss von jenem Apartment bezogen, in dem eine Etage drüber Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg und Co-Trainerin Britta Carlson wohnen. Allein die Zimmerbelegung zeigt, welch engen Draht der gebürtige Frankfurter inzwischen zur Leitungsebene der DFB-Frauen aufgebaut hat. Dem Sportliche Leiter Nationalmannschaften des Deutschen Fußball-Bundes oblag es auch, öffentlich bereits die Sinne für das zweite WM-Gruppenspiel gegen Kolumbien (Sonntag 11.30 Uhr MESZ/ARD) zu schärfen.
Man müsse sich im fast ausverkauften Football Stadium von Sydney gegen einen „Gegner auf Augenhöhe“ auf eine ganz andere Gangart einstellen: „Wenn sie ein bisschen rustikaler ausfallen sollte, dann sollte man auch das Beinchen nicht zurückziehen, sondern hinhalten. Das wird die Devise sein!“ Darauf müssten die deutschen Fußballerinnen eingestellt sein, „und nicht groß lamentieren und nicht immer zur Schiedsrichterin schauen“, empfahl der 47-Jährige.
Weil Kolumbien mit der 18-jährige Linda Caicedo ein Wunderkind aufbietet, die auch für Chatzialexiou „in der Art und Weise, wie sie spielt, phänomenal ist“, wäre es wichtig, dass auf deutscher Seite endlich Lena Oberdorf mitwirken kann. Chatzialexiou kündigte an, dass „90 bis 95 Prozent des Kaders“ wieder belastbar seien. Offenbar auch die am Oberschenkel lädierte Oberdorf: Niemand grätscht anderen so brachial in die Parade wie die bei der WM 2019 in Frankreich mit 17 als jüngste deutsche WM-Spielerin aller Zeiten debütierende Mittelfeldspielerin. Auch Abwehrchefin Marina Hegering (Fersenprellung) und Sjoeke Nüsken (Bänderdehnung im Knie) dürften heute wieder voll mittrainieren. Nur bei Sydney Lohmann müsse man aufgrund einer leichten Adduktorenzerrung noch „vorsichtig“ sein,
Beeindruckt ist der DFB-Manager als Rundherum-Beobachter („Alle Spiele sehe ich nicht, aber ich schaue vieles noch auf Wyscout an“) von den Topnationen, die „in der Kognition überragend, in der Spielgeschwindigkeit top“ seien: „Wenn ich sehe, wie Japan gespielt hat, wie die Spanierinnen gespielt haben, die USA: Da erwarten uns dann irgendwann mal im Turnier andere Gegner.“
Aber auch der deutsche Anfang ist ja gelungen und kam vor allem in der Heimat gut an: Die TV-Quote (5,61 Millionen im ZDF) sei ein „schönes Zeichen“, beteuerte Chatzialexiou: „Ich weiß gar nicht, ob sich unsere Spielerinnen mehr über das 6:0 oder über die Einschaltquote gefreut haben. Die Unterstützung vom anderen Ende der Welt macht etwas mit einem.“
Überdies kann dem DFB nichts Besseres passieren, wenn die Frauen bei dieser WM einen Kontrapunkt zur Krise der Männer setzen. Dazu müssen sie vielleicht auch gar nicht den dritten Stern gewinnen, sondern erst einmal reichen Auftritte mit Lust und Leidenschaft. „Für uns als Verband wäre es wichtig ein tolles Turnier zu spielen – unabhängig von den Männern“, sagte Chatzialexiou, der ohne Umschweife zugab: „Der Sommer war dürr.“
Gleichwohl müsste man Bundestrainer Hansi Flick doch ein Jahr vor der Heim-EM zugestehen, „dass man auch mal was ausprobieren darf“. Flick stehe übrigens „direkt mit Martina“ (Voss-Tecklenburg) in Kontakt.