München/Lensahn – Am Freitagmorgen um 7 Uhr wird Arno Sandrock im Schwimmbad in Lensahn (Schleswig-Holstein) ins Wasser steigen. Wenn alles glatt läuft, kommt er knapp zwei Tage später ins Ziel. Dazwischen liegt ein Triple-Ironman. Oder anders ausgedrückt: 11,4 Kilometer Schwimmen, 540 Kilometer Rad fahren und 126,6 Kilometer Laufen.
Manch einer in der Triathlon-Szene findet das völlig abwegig. „Ich bin sogar schon mal beschimpft worden“, erzählt der 58-Jährige aus dem Landkreis Miesbach. „Andere bewundern uns und finden es positiv irre“. Die Frage, warum ein Mensch sich freiwillig diesen Strapazen ausliefert, muss tatsächlich erlaubt sein. Ohne körperliche Probleme und mentale Tiefpunkte wird in den kommenden Tagen keiner der 40 Starter des internationalen Teilnehmerfelds durchkommen. Magenprobleme haben eigentlich alle, bei Sandrock kommt oft eine entzündete Kapsel im Fußgelenk dazu. „Ich kann dann den Fuß nicht mehr heben, ohne dass es schmerzt.“
Ohnehin spielt bei diesen Distanzen das Mentale fast die größte Rolle, denn wirklich trainieren kann man diesem Mammut-Umfänge nicht. „Man braucht eine gute Grundlagenausdauer. Der Rest ist viel, viel Kopfarbeit. Man muss sich vor dem Start auch sicher sein, dass man durchkommt. Wenn man zweifelt, wird es nichts“, sagt Sandrock.
Seinen ersten „Triple“ hat er vor 30 Jahren gefinisht, am Sonntag will er zum zehnten Mal die Ziellinie überqueren. Davor liegen 228 Bahnen im 50-Meter-Becken, 68 Runden auf dem Rad (8,1 km) und 98 Runden auf der Laufstrecke (1,3 km). Schlafpausen plant der Ausdauersportler nicht ein. „Am liebsten würde ich ohne durchkommen. Aber das entscheide ich immer spontan“, so Sandrock. In seinem schnellsten Jahr hat er 44 Stunden gebraucht, im langsamstem 52 Stunden. Meistens pendelt er sich irgendwo dazwischen ein. Wer nach dem Zeitlimit von 58 Stunden nicht im Ziel ist, hat Pech gehabt. Robert Karas hatte damit 2018 kein Problem – so schnell wie der Pole (30:48:57 Stunden) war bisher noch niemand.
Unterstützung erhält Sandrock bei der Zwei-Tages-Tortur von einem fünfköpfigen Team, darunter sein 19-jähriger Sohn und vier Ironman-erfahrene Freunde. Sie achten unter anderem darauf, dass Sandrock genug isst.
Gesundheitliche Spätfolgen befürchtet er nicht, doch während des Rennens lastet auf dem Herz-Kreislauf-System eine Menge Stress. Gegen Ende liegt Sandrocks Puls wegen der fortschreitenden Ermüdung bei rund 185 Schläge pro Minute, früher sogar bei 200. „Ich habe mich danach mal untersuchen lassen. Die Ärztin meinte, die Blutwerte sehen so aus wie nach einem Herzinfarkt“, erzählt Sandrock.
Als er noch jünger war, ist der Miesbacher oft schon vier Wochen später wieder bei einem klassischen Ironman gestartet, mittlerweile gönnt er sich im Anschluss zwei Monate Pause mit reduziertem Training. Das gilt in diesem Jahr besonders. Vor knapp einer Woche stürzte Sandrock vier Treppenstufen hinunter und prellte sich heftig die Hüfte. Beim Schwimmen und Radfahren merkt er davon nichts mehr. Wie sich die Blessur beim Laufen entwickelt, kann er noch nicht vorhersagen. Nicht an den Start zu gehen, kam aber nicht infrage. „Die Kunst bei dieser Veranstaltung besteht darin, die Probleme zu vergessen“, sagt Sandrock. Und, ganz wichtig: „Man braucht Leidensfähigkeit.“