Eklat um Olha Charlan

Der Sport bezahlt für Bachs Fehler

von Redaktion

NICO-MARIUS SCHMITZ

Die Szene, in der die ukrainische Fechterin Olha Charlan der russischen Fechterin Anna Smirnowa den Handschlag verweigerte und stattdessen den Säbel hinhielt, ging um die Welt. Und wird die Sportwelt nachhaltig beschäftigen. Es waren Bilder mit Ansage. Und Bilder, die zeigen, wie schnell die Wunschvorstellung von IOC-Boss Thomas Bach, dass Russen und Ukrainer sich auf sportlicher Ebene duellieren können, zusammenbricht.

Charlan wurde aufgrund des fehlenden Handschlags vorübergehend disqualifiziert. Dabei habe ihr, so führte es die Olympiasiegerin aus, Weltverbandspräsident Emmanuel Katsiadakis vorab zugesichert, dass sie für ihre Aktion keine Konsequenzen zu befürchten habe. „Das Wichtigste ist, dass sie die ukrainische Position gezeigt hat, dass wir nicht mit unseren Feinden, mit unseren Mördern Hände schütteln können“, sagte der ukrainische Sportminister Wadym Hutzajt. „Russland hat im Moment im internationalen Sport nichts zu suchen. Die volle Solidarität des Sports muss der Ukraine gelten“, twitterte Innenministerin Nancy Faeser.

Und was macht das Internationale Olympische Komitee? Es forderte die Sportverbände zu Sensibilität auf. Gäbe es eine Weltmeisterschaft im Wegschieben der eigenen Verantwortung, Thomas Bach wäre mit seiner Gefolgschaft Serienmeister. Eine endgültige Entscheidung, ob russische Sportler in Paris starten dürfen, gibt es ein Jahr vor Beginn der Olympischen Spiele noch nicht. Stattdessen gab es nur eine Reihe an Empfehlungen, wie die Verbände mit der Situation umgehen sollen.

Bislang trafen nur im Tennis ukrainische und russische Sportler aufeinander. Vom Publikum wurden sowohl Ukrainer als auch Russen nach verweigerten Handschlägen ausgepfiffen, je nachdem wo das Turnier stattfand. So sehr sich Bach auch das Gegenteil einreden mag: Sportliche Wettkämpfe zwischen Ukrainern, deren Heimatland weiter zerbombt wird, und Russen bleiben hochbrisant. Erst recht nach dem Eklat um Charlan. Oder glaubt Bach wirklich, dass in Paris alles reibungslos ablaufen wird und friedlich Hände geschüttelt werden?

Das IOC hat es nicht nur verpasst, klare Kante zu zeigen, sondern auch Rahmenbedingungen zu schaffen, die ukrainische Sportler bei einer Wiedereingliederung russischer Athleten schützen. Den Preis dafür müssen wieder einmal die Sportler bezahlen. Daran ändert auch der Brief von Bach und die versprochene Startgarantie Charlans für die Olympische Spiele nichts. Das IOC versucht notdürftig einen Riss zu kitten, der längst schon zu riesig ist.

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