Albi/Köln – Ballett oder Bike: Vor rund zehn Jahren hatte Ricarda Bauernfeind die Wahl. Und sie hat die richtige getroffen. Denn so ausgiebig wie bei ihrer phänomenalen Soloflucht zum Etappensieg bei der Tour der France hätte die 23 Jahre alte Bayerin in ihrem Alternativsport niemals aus der Reihe tanzen dürfen.
„Puh, das war unglaublich, muss ich jetzt wirklich erstmals alles sacken lassen“, sagte Bauernfeind nach ihrem Coup im südfranzösischen Weltkulturerbe-Städtchen Albi. Weil sie sich am Fluss Tarn partout nicht verstecken wollte, war die antrittsstarke Allrounderin aus dem Team Canyon/SRAM Racing dem Feld 36 Kilometer vor dem Ziel davongefahren. Und schnappen konnte sie niemand mehr.
Und niemanden verwunderte dies mehr als Bauernfeind selbst. „Es war zwar der richtige Zeitpunkt für eine Attacke“, sagte sie: „Aber ich habe gedacht, dass ich schnell wieder eingeholt und am nächsten Berg abgehängt werde.“ Weil aber ihr Sportlicher Leiter Magnus Bäckstedt, einst selbst Weltklasse-Profi und Roubaix-Sieger, sie aus dem Teamauto heraus bis ins Ziel brüllte, reichte es schließlich zu Bauernfeinds größtem Karriere-Erfolg und dem bereits zweiten deutschen Etappensieg bei der laufenden Frauen-Tour – die Männer haben es bei den vergangenen drei Frankreich-Rundfahrten insgesamt auf nur einen gebracht.
„Sie sollte einfach nur immer weiter an sich glauben“, sagte Bäckstedt, denn schließlich gibt es kaum etwas, dass die 1,66 m große Eichstätterin nicht kann – für eine wie sie ist der Begriff Multitalent geschaffen worden.
„Ich habe eigentlich alles ausprobiert“, sagte sie im BR: „Ich habe mit meinem Bruder und seinen Freunden Fußball gespielt, habe Ballett gemacht, habe Trompete und Klavier gelernt, habe Reitunterricht bekommen.“ Weil ihre Leistungen auf dem Rad aber hervorstachen, setzte sie auf diese Karte. Jetzt wurde sie dafür belohnt. sid