Wer hoch fliegt, kann tief fallen – dass mussten die DFB-Frauen gegen Kolumbien erfahren. Natürlich haben die Südamerikanerinnen die Mannschaft von Martina Voss-Tecklenburg nicht an die Wand gespielt, aber unter dem Strich steht nach dem euphorischen Auftakt gegen Marokko (6:0) die erste WM-Gruppenspiel-Niederlage seit 1995. Die positive Entwicklung des Frauenfußballs – in den vergangenen zehn Jahren hat sich weltweit qualitativ viel getan – hat daran ihren Anteil. Und auch das Gegentor, das durch einen Standard fiel, kann man als unnötig abtun. Aber der DFB-Tross muss sich hüten, diesen kleinen Schock schönzureden.
Alexandra Popp befand in der ersten Analyse, dass man das Spiel eigentlich im Griff hatte, verwies aber auch auf die fehlende Durchschlagskraft im Angriff. Entscheidend ist, auf welchen Teil ihrer Antwort man sich fokussiert. Das Team muss sich eingestehen, dass eine stabile kolumbianische Defensive mit anfangs ruppigem Zweikampfverhalten ausreichte, um die eigene Offensive nahezu vollständig zum Erlahmen zu bringen. Und wenn doch eine Chance heraussprang, fehlte die Konzentration im Abschluss (Magull, Popp). Ja, vor dem Spiel wurde gewarnt, doch ebenso unkte man, dass die eigene Stärke ausreichen muss, um zu gewinnen. Gleiches gilt für den nächsten Gegner Südkorea. Ganz gleich, wie groß das Verletzungspech sein mag oder wie sich die Abwehr am Donnerstag aufstellt, Deutschland wird im überhaupt ersten Duell mit den Asiatinnen auf dem Papier der eindeutige Favorit sein. Das galt 2018 in Russland aber auch für die DFB-Herren gegen Südkorea (0:2). Oder vergangenes Jahr in Katar gegen Japan (1:2).
Voss-Tecklenburg tut also gut daran, ihren Spielerinnen einzutrichtern, nicht schon an den übernächsten Schritt zu denken. Die Achtelfinal-Chancen sind nach wie vor sehr groß. Aber es geht nun auch darum, wieder positiven Schwung für mögliche K.o.-Spiele aufzunehmen. Dabei wird sich zeigen, wie gefestigt die DFB-Truppe, die seit der Australien-Ankunft ständig Gute-Laune-Momente von sich propagiert, ist. Zur Erinnerung: Im Jahr 2023 gab es in den vier Test-Spielen gegen die WM-Mit-Teilnehmer zwei knappe Siege (1:0 gegen die Niederlande, 2:1 gegen Vietnam) und zwei Niederlagen (1:2 gegen Brasilien, 2:3 gegen Sambia). Alles also wahrlich kein „Selbstläufer“ mehr.
mathias.mueller@ovb.net