München – Wenn die Atmosphäre cool ist, erzählt Chiara Sistermann, dann springt sie am besten. So war es auch vor drei Wochen bei den Deutschen Meisterschaften. Am Rheinufer in Düsseldorf vor gut gefüllten Tribünen. Mit 4,31 m sicherte sich Sistermann eine neue persönliche Bestleistung – und die Silbermedaille.
„Das war schon eine krasse Erfahrung. Ich habe es gespürt, dass an dem Tag alles passt. Wenn ich alles umsetzte, kann es auch immer hochgehen“, sagt die Stabhochspringerin im Gespräch mit unserer Zeitung. Nicht erst seit den Deutschen Meisterschaften zählt Sistermann zu den vielversprechendsten Talenten der deutschen Leichtathletik.
Im Alter von sechs Jahren begann die Gräfelfingerin mit dem Leistungsturnen. Sechs Mal pro Woche Training. „Ich bin ein ehrgeiziger Mensch. Wenn ich etwas gemacht habe, wollte ich immer die Beste sein.“ Das Turnen machte irgendwann keinen Spaß mehr, sie fühlte sich nicht mehr wohl. Wollte aber unbedingt weiter Wettkämpfe machen, sich selbst herausfordern. Und die neue Herausforderung lauerte gleich um die Ecke. Schließlich ist der TSV Gräfelfing Stabhochsprung-Stützpunkt des Bayerischen Leichtathletikverbands. „Durch das Turnen habe ich ein gutes Bewegungsgefühl, ich weiß, wie ich mich am Stab zu bewegen habe. Mit dem Aufrollen hatte ich nie Probleme.“ Sistermann fand schnell eine gute Technik, auf der sie aufbauen konnte.
In ihrer Altersstufe gehört sie weltweit zur Elite. Bei der U20-Weltmeisterschaft in Cali (Kolumbien) sprang Sistermann im vergangenen Jahr zur Silbermedaille. „Natürlich weiß ich, dass ich schon ganz gut bin“, sagt sie und lacht. Aber: „Ein Teil von mir hat das noch gar nicht realisiert. Ich mache halt hier meinen Sport und springe auf dem Platz, auf dem ich früher zur Schule gegangen bin. Meine Freunde meinen auch oft zu mir: Das ist schon heftig, was du da machst.“ Als kleines Kind habe sie schon davon geträumt, im Sport mal erfolgreich zu sein. „Dass ich nun wirklich in der Welt vorne mit dabei bin, muss ich erst verstehen.“
Vom Sportplatz des Kurt-Huber-Gymnasiums in Gräfelfing geht es bald hinaus in die weite Welt. Genauer gesagt: über 7000 Kilometer in die Ferne in den US-Bundesstaat Virginia. An der dortigen renommierten Universität Virginia Tech gibt es eines der stärksten Stabhochsprung-Programme für Frauen in Amerika.
Sistermann hat ein Sportstipendium erhalten und wird Medizin studieren. „Der Trainer ist auf mich zugekommen und hat mich gefragt, ob ich mir das vorstellen kann. Ich war auch schon vor Ort, das Team ist super nett und die Trainingsmöglichkeiten extrem gut.“
Für das Talent ist es wohl der perfekte Ort zur Entwicklung. Um irgendwann auch altersübergreifend zur Weltspitze zu gehören. Dort liegt die Weltjahresbestleiste aktuell übrigens bei 4,90 m.
Dieser Drang, sich immer wieder selbst überbieten zu wollen – und zu müssen, fasziniert Sistermann. „Es gibt immer Sachen, an denen man arbeiten kann. Es ist eine unheimlich vielseitige Sportart. Die Geschwindigkeit, Sprungkraft, die Arbeit am Stab. Ich habe nie das Gefühl, dass ein Sprung perfekt ist.“
Aber möglichst nah dahin zu kommen, an die Perfektion, das wird die Mission an der Virgina Tech. Ob Gräfelfing oder Amerika, Chiara Sistermann ist bereit für neue Höhenflüge.