München – Hansi Flick hat „keinen Bock mehr“ auf all die Pleiten. „Es kotzt mich an“, sagte der Bundestrainer genervt, die deutsche Fußball-Nationalmannschaft müsse endlich wieder sie selbst sein – furchteinflößend, mitreißend, eine Elf mit einem klaren Gerüst. Doch was all das für die langjährigen DFB-Anführer Manuel Neuer und Thomas Müller bedeutet, ist auf Flicks nun klar skizziertem Weg zur Heim-EM offener denn je.
„Jetzt beginnt die EM-Vorbereitung“, sagte Flick dem kicker, „ab jetzt gilt’s!“ Für den in die Kritik geratenen Bundestrainer ganz persönlich, insbesondere aber auch für seine Stars im Kampf um die Plätze. „Entscheidend ist, dass wir jetzt ein Kernteam finden“, sagte Flick, „mit fünf, sechs, sieben oder acht Positionen, auf denen wir die Nummer eins benennen.“ Gut möglich, dass Kapitän Neuer und Ikone Müller nicht dazugehören.
Flick hat mit beiden Münchner Routiniers über ihre Rolle gesprochen – und dabei offensichtlich auf Zeit gespielt. Der Bundestrainer will abwarten, bis das Bayern-Duo wieder komplett fit ist und die Lage dann neu bewerten. Gesetzt aber, das wird aus seinen Ausführungen klar, ist nicht einmal mehr sein früherer Liebling Neuer (37). Dessen Weg zurück nach dem Beinbruch laufe „nach Plan“, sagte Flick, der sich „für ganz Fußball-Deutschland“ wünscht, dass Neuer wieder der Alte werde. Was die DFB-Auswahl betreffe, „muss man aber auch sagen: Marc-Andre ter Stegen hält in Barcelona überragend, hat es auch bei uns gut gemacht“. Das heißt: Der langjährige Kronprinz geht mit einem Vorsprung ins EM-Rennen.
Müller hat nicht nur den einen, sondern viele, allesamt jüngere Konkurrenten. Flick hatte schon beim Neustart nach dem WM-Desaster im März und Juni auf ihn verzichtet – obwohl er fit war. Nun hat der 33-Jährige wegen Hüftproblemen „wichtige Wochen verpasst“, wie Flick weiß. Eine Rückkehr im September, wenn sich die EM-Achse gegen WM-Schreck Japan und Vize-Weltmeister Frankreich finden soll, ist unwahrscheinlich. Müller, sagte Flick, müsse erst mal „richtig fit werden“.
Sein „Gerüst“ bilden längst andere Profis. „Toni Rüdiger ist hinten klar, er hat Erfahrung, ist schnell, zweikampfstark, kann eine Führungsrolle einnehmen“, sagte er über den Abwehrchef. Wenig überraschend nannte Flick auch Joshua Kimmich als Säule, ließ dessen Rolle aber offen – auch hinten rechts sei der Münchner eine „Option“.
Zumal Flick zwei weitere Leader bestimmte: Emre Can und Ilkay Gündogan. Der, wiederholte Flick streng, müsse „bei uns noch mehr Führung übernehmen. Ilkay bringt alles mit, um voranzugehen. Und das erwarten wir von ihm“.
Sorgenkind Niklas Süle durfte noch einmal lesen, dass es an seiner Qualität „keine Zweifel“ gebe. „Es liegt alles an ihm.“ Für den Dortmunder gilt, was Flick allgemein einforderte: Hingabe und Bedingungslosigkeit. „Wir müssen wieder ausstrahlen: Wir sind Deutschland, die anderen sollen erst mal herkommen“, betonte Flick.
Zweifel an seinem Weg oder sich selbst, meinte der 58-Jährige abermals, habe er auch nach dem verkorksten Neustart mit nur einem Sieg in fünf Spielen nicht. Für die EM verspricht er „ein Team, das brennt, das mutig ist, das aktiv ist, das will, das kann, das mitreißt und das eine Welle in Deutschland auslöst“. Womöglich ohne Neuer und Müller. sid