„Ich hoffe, das Land öffnet sich noch mehr“

von Redaktion

INTERVIEW Amin Younes spricht über seine Zeit in Saudi-Arabien und neue Ziele

München – Gegen den Trend: Während aktuell zahlreiche Fußballer nach Saudi-Arabien wechseln, verlässt Amin Younes (29) seinen Verein Al-Ettifaq, es zieht ihn zurück nach Europa. Im Interview mit unserer Zeitung erzählt der achtmalige deutsche Nationalspieler, warum und wie er das Leben im Königreich empfunden hat. Außerdem erinnert er sich an seinen unrühmlichen Abschied aus der Bundesliga.

Für viele Stars heißt es: Ab in die Wüste. Sie verlassen Saudi-Arabien. Warum?

Wir haben uns im freundschaftlichen Einvernehmen voneinander getrennt. Dass das am Ende alles so schnell ging mit der Vertragsauflösung, dafür bin ich dem Verein sehr dankbar. So kann ich jetzt mit der Familie wieder in der Heimat in Düsseldorf sein.

Hätten Sie nicht noch gerne unter Neu-Coach Steven Gerrard gespielt?

Steven Gerrard kam erst im Trainingslager dazu, da war für mich aber schon klar, dass ich mir eine neue Herausforderung suche. Dies aus Deutschland voranzutreiben, ist viel einfacher als in einem festen Arbeitsverhältnis weit weg von Europa.

Als Sie 2022 Frankfurt verlassen haben und in die Saudi Pro League gewechselt sind, wurden Sie beschimpft, Ihnen wurde Geldgier vorgeworfen…

Dieses Argument liegt zugegebenermaßen immer sehr nahe, wenn man nach Arabien wechselt, das ist klar. Faktisch sah es so aus, dass mein Gehalt dort im gleichen Bereich gewesen ist wie in Neapel. Nach den turbulenten Wochen in Frankfurt wollte ich Abstand gewinnen und Ruhe bekommen. Ich weiß, dass ich in manchen Situationen zu emotional reagiert habe, aber es kam auch sehr viel zusammen für mich. Als ich noch den Leih-Vertrag in Frankfurt hatte, gab es bereits konkrete Gespräche mit einem anderen Verein. Doch zu diesem Zeitpunkt hatte neben der zwei Millionen Ablöse für meinen Stammverein Neapel auch die Eintracht eine Zahlung gefordert. Das ging sich zwischen den Vereinen dann leider nicht aus. Auch gab es für mich ein sehr spannendes Angebot aus dem Mittelfeld der Bundesliga, doch die Eintracht wollte mich nicht an einen direkten Konkurrenten abgeben. Es wurde Saudi-Arabien, auch da ich familiäre Wurzeln in Arabien habe. Mein Vater kommt aus dem Libanon, ich war bis ins Erwachsenenalter jedes Jahr dort. Ich unterstütze soziale Projekte vor Ort, und zudem spreche ich auch Arabisch.

War die rasante Entwicklung der Liga zu Ihrer Zeit schon absehbar?

Das war für mich tatsächlich gar nicht absehbar. Es kamen zwar immer mal wieder neue Topstars in die Liga, aber das war kurz vor dem Karrierenende und nicht in den Mitte 20ern. Dass jetzt Spieler in ihrer Prime in die Liga wechseln, teilweise ohne Bezug zur arabischen Welt, hätte ich nicht gedacht.

Wie haben Sie das Leben in Saudi-Arabien wahrgenommen?

Das Land versucht sich zu entwickeln und sich mehr zu öffnen, auch wenn man dafür im Moment noch keinen europäischen Maßstab heranziehen kann. Kultur und Religion stehen an oberster Stelle. Grundsätzlich sind die Menschen sehr familiär und höflich. Sicherheitsbedenken hatten meine Frau und ich zu keiner Zeit. Ich hoffe sehr, dass sich das Land die nächsten Jahre noch weiterentwickeln kann, offener wird und vor allem, dass Arbeitsrichtlinien mehr beachtet werden. Fußballer durften zum Beispiel immer erst am Abend trainieren, um der Hitze etwas aus dem Weg gehen zu können. Die meisten Arbeiter müssen trotzdem am Nachmittag zwischen 40 und 50 Grad in der Sonne ran. Das ist kein hinnehmbarer Zustand.

Sie haben schwierige Jahre hinter sich. Dachten Sie während dieser Phase jemals an ein vorzeitiges Karriereende?

Das war alles nicht so einfach, das muss ich zugeben. Ich hatte für die Eintracht auf rund die Hälfte meines Gehalts verzichtet, um die Leihe von Neapel möglich zu machen. Dann folgte die so ziemlich schönste Phase meiner Karriere, bis es dann leider etwas unschön wurde. Nichtsdestotrotz war am Ende immer klar, dass es weitergehen wird.

Und wie geht es weiter?

Ich habe Anfragen aus dem In- und Ausland. Ich will aber nichts überstürzen. Es muss optimal zu mir passen – zu meinem Spielstil. Bis dorthin halte ich mich so intensiv es geht fit. Rein körperlich fühle ich mich fitter denn je mit meinen 29 Jahren. Ich habe einen Personal Coach in Belgien, mit dem ich sehr intensiv trainiere mit allem Drum und Dran – das komplette fußballspezifische Programm zweimal pro Tag.

Träumen Sie von einer Bundesliga-Rückkehr?

Ich will einfach nur wieder Spaß haben – die nächste Entscheidung soll sich richtig anfühlen, auch für meine Familie. Da will ich mich nicht auf eine Liga festlegen.

Interview: Philipp Kessler

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