Land der erschreckenden Zahlen

von Redaktion

Hunderte Hinrichtungen – Milliarden für den Sport: Ein Überblick über Saudi Arabiens Sportswashing

Frankfurt/Main –Saudi-Arabien ist in aller Munde. Fast täglich wird ein Transfer eines Topfußballers in das Königreich vermeldet oder darüber spekuliert. Seit dem 6. Juli läuft das mehrwöchige E-Sports-Festival in der Hauptstadt Riad, wo Geldpreise in Höhe von 45 Millionen US-Dollar ausgeschüttet werden. In der Kapitale wird am 28. Oktober der Megakampf zwischen Schwergewichtsboxer Tyson Fury und dem ehemaligen Mixed-Martial-Arts-Schwergewichtschampion der UFC, Francis Ngannou steigen. Beide Kämpfer erhalten zweistellige Millionenbeträge – mindestens.

Die problematische Menschenrechtslage in dem Golfstaat gerät zur Nebensache. Die Rolle, die Saudi-Arabien seit Jahren im Konflikt im Jemen spielt, ist komplett aus den Schlagzeilen verschwunden. Die Aufarbeitung des Mords am Journalisten Dschamal Khaschoggi im Jahr 2018 in der saudischen Botschaft in Istanbul ist längst kein Thema mehr. Zwischen 2015 und 2022 gab es durchschnittlich 129 Hinrichtungen pro Jahr in Saudi-Arabien. Obwohl die politische Führung nach außen versucht, sich ein neues Image zu verpassen, wird gegen Andersdenkende im eigenen Land mit Repressionen vorgegangen. Von den weiterhin fehlenden Frauenrechten ganz zu schweigen. Die Erkenntnis für die Herrschenden aus den vergangenen Wochen und Jahren ist: Sportswashing funktioniert bestens. Die unschönen Themen werden schon fast gar nicht mehr angesprochen.

Saudi-Arabien pumpt derzeit gefühlt so viel Geld in den Sportmarkt wie es aus dem Boden Öl schöpft und verkauft. In Wahrheit sind die Summen jedoch nur ein Bruchteil dessen. 326 Milliarden US-Dollar hat der Golfstaat alleine im Jahr 2022 aus Öl-Verkäufen eingenommen. Im Public Investment Fund, mit dem in verschiedene Sektoren investiert wird, stecken 650 Milliarden US-Dollar. Bis 2021 hat Saudi-Arabien rund 1,5 Milliarden US-Dollar in den Sport investiert. Mittlerweile ist es ein Vielfaches. Angefangen hat alles im September 2018 als sich George Groves und Callum Smith in Riad im Boxring um den Titel im Supermittelgewicht gegenüber standen. „Das kann der Start von etwas Großem hier unten sein“, vermutete der deutsche Promoter Kalle Sauerland seinerzeit, der den Briten Smith vertrat.

Die Chance hat auch der britische Promoter Eddie Hearn erkannt und seinen Schwergewichtler Anthony Joshua nach Saudi-Arabien geschickt. Für den Fight gegen den Mexikaner Andy Ruiz bekam er 2019 rund 60 Millionen Euro. Für den Kampf um die Schwergewichtskrone in Dschidda 2022 gegen den Ukrainer Oleksandr Usyk erhielten die Boxer rund 75 Millionen.

Im Jahr 2020 hat sich Saudi-Arabien die Rallye-Dakar geangelt und zahlt jährlich 80 Millionen Dollar für die Austragung an das französische Sportunternehmen ASO, das unter anderem auch die Tour de France organisiert. Aktuell wird spekuliert, ob der Staatsfonds das Radsporteam Jumbo Visma um den amtierenden Tour-Sieger Jonas Vingegaard übernimmt. Seit 2021 dreht die Formel 1 ihre Runden in Dschidda. Kostenpunkt 55 Millionen Dollar pro Rennen. Es gibt Gerüchte, dass sogar eine komplette Übernahme des Motorsportzirkus in Höhe von 40 Milliarden US-Dollar möglich ist.

Nur ganz selten kommt es vor, dass die Saudis bei einzelnen Sportlern abblitzen. Golfstar Tiger Woods hat es abgelehnt, sich für 800 Millionen Dollar der von Saudi-Arabien finanzierten LIV Golf Invitational Series anzuschließen. Die US-amerikanischen Majorserie PGA und die LIV haben anfangs gegeneinander geklagt – und sich inzwischen zum gegenseitigen Vorteil zusammengeschlossen. Auch der Männer-Tenniszirkus der ATP ist seit einiger Zeit in Gesprächen mit dem saudischen Staatsfonds. Es dürfte nicht lange dauern, bis auch dort Vollzug gemeldet wird. TIMUR TINC

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