München – Über Langeweile dürfte sich dieser Tage in der Zentrale des Deutschen Volleyball Verbandes (DVV) kaum jemand beklagen. In zwei Wochen beginnt die Europameisterschaft der Frauen. Eine der Vorrundengruppen spielt in Düsseldorf, der DVV ist also Mitveranstalter und Gastgeber. Auch unter normalen Umständen verheißt das bewegte Zeiten.
Dieser Tage stellen sich auch ganz grundsätzliche Fragen. Wer ist eigentlich der DVV, der eine Woche lang den Volleyball-Kontinent begrüßt? Nahezu die komplette Führung um Präsident Rene Hecht trat kürzlich nach lang andauernden Zwistigkeiten mit den Landesverbänden zurück. Am Ende wird es wohl in den Händen zweier Frauen liegen, die Verbandsinteressen zu vertreten. Vizepräsidentin Katharina Dierlamm ist im Amt verblieben und derzeit höchste Kraft im Volleyball-Land. Gemeinsam mit der scheidenden Vorständin Julia Frauendorf, die bis Ende August die Geschäfte weiterführt, muss sie die DVV-Fahne hochhalten. Und den Verband in halbwegs ruhiges Fahrwasser bringen.
Bis 27. August soll das gelingen. Dann sollen die Dinge auf einem außerordentlichen Verbandstag in Bremen neu geordnet werden. Mit solchen Situationen hat man im Volleyball ja schon einige Erfahrungen. Erst 2018 trat die komplette Führung um den damaligen Präsidenten Thomas Krohne zurück – seinerzeit moderierte Bayerns Landes-Chef Klaus Drauschke in einer bewegten Versammlung Hecht und Co. ins Amt.
Diesmal könnte die Sache mit etwas Glück vielleicht schon vorher weitgehend geregelt sein. Zumindest hat sich ein Zirkel formiert, der sich gerne an das knifflige Erbe machen würde. An der Spitze steht ein Mann, der anders als seinerzeit Hecht noch keine weitergehenden Erfahrungen als Verbandsfunktionär gesammelt hat. Markus Dieckmann, heutiger Unternehmer und einst Europameister im Beachvolleyball, gilt als heißer Anwärter auf das Präsidentenamt. Und er hat agile Mitstreiter – allen voran den London-Olympiasieger Julius Brink.
Ob die ambitionierte Crew für ihre Ambitionen auch das Vertrauen der Landesfürsten genießen, wird sich wohl erst in Bremen endgültig klären lassen. Zumindest Dieckmann deutete aber schon an, wie man es gewinnen will. Mit maximaler Transparenz wolle man die Dinge anschieben, so war zu vernehmen. Kein schlechter Gedanke, fehlende Transparenz und mangelnde Kommunikation waren ja die zentralen Kritikpunkte im Zeugnis der alten Führung.
Wenn die Vertrauensbildung gelingt, so wird schon vielerorts spekuliert, dann könnten auch verloren gegangene Experten in den Verband zurückkehren. So steht der DVV ja schon seit geraumer Zeit ohne Sportdirektoren da. PATRICK REICHELT